Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne
verwirrend. Ich verstand nicht, wieso mir so warm wurde. Ich bemerkte, dass auch John seinen dicken Kittel öffnete.
Es war, als erhöbe sich etwas aus dem Inneren der Erde, um uns zu wärmen.
An einer Kreuzung richtete Luke sich im Sattel auf. »Da ist Malmesbury«, rief er. Um die Höhe eines flachen Hügels vor dem westlichen Horizont zog sich eine Mauer, die eine dichte Anhäufung von Dächern umschloss. Dies war mehr als ein Marktflecken.
Ich hörte Wasser rauschen. Zur Linken strömte ein Fluss, der in lebhaften Wellen über glattgeschliffene Steine sprang, eine alte Steinbrücke überspannte ihn. Dahinter stieg die Straße in die Stadt an, die fast wie eine Insel aussah, denn der Fluss teilte sich und umfasste den Hügel, auf dem Malmesbury lag.
»Seht doch – glaubt Ihr, das ist es?« Bruder Edmund wies auf das größte Gebäude auf der Anhöhe. Ich machte Türme und ein langes schräges Dach aus.
»Aber es ist ja so groß wie eine Kathedrale«, sagte ich beeindruckt.
Er galoppierte über die Brücke. »Wo ist die Abtei?«, hörte ich ihn einen Mann anrufen.
»Im Norden der Stadt, Sir«, antwortete der Mann, die Hand an der Mütze.
Bruder Edmund jagte voraus, in vollem Galopp durch das Stadttor von Malmesbury. Mein Pferd war müde, ich wollte es nicht mit der Peitsche antreiben und trottete deshalb mit John und Luke hinterher.
Als wir in die Stadt kamen, konnte ich ihn weit vor uns erkennen. Er zügelte sein Pferd und sprang so eilig aus dem Sattel, dass er stolperte. Aber er kam gleich wieder hoch und rannte mit Riesenschritten zu einer hohen Backsteinmauer auf der rechten Straßenseite. Dort blieb er wie versteinert stehen.
»Nein!«, schrie er laut.
Als wir bei ihm ankamen, weinte er ganz offen. Einige Leute versammelten sich: zwei Frauen, ein alter Mann und ein Junge, alle besorgt um den verzweifelten Fremden.
Ich lief zu ihm. »Im Namen des Herrn, was ist denn geschehen?«
»Malmesbury ist zerstört«, schluchzte er.
Ich blickte durch den Torbogen. Eine lange und prächtige Abtei dehnte sich hinter der Mauer, mit Türmen und Pfeilern, aber der gewaltige Hauptturm war umgestürzt und hatte ein riesiges klaffendes Loch in das Bauwerk gerissen. Es sah aus, als würde die Vorderseite der Abtei Stück um Stück abgetragen. Neben einem Berg von Backsteinen standen zwei mit Steinen und Mörtel beladene Karren, und nicht weit entfernt hatte man eine Grube ausgehoben.
»Wir sind zu spät gekommen«, sagte Bruder Edmund.
Kapitel 41
Eine der beiden Frauen stieß mich an. »Aber die Abtei ist nicht abgerissen worden, Miss«, sagte sie.
Bruder Edmund hörte sie. »Was sagt Ihr da? Ist das nicht das Werk der königlichen Kommissare?«
»Nein, Sir«, antwortete sie. »Die Kommissare waren hier, um einen Bericht zu machen, aber sie haben unser Kloster noch nicht aufgelöst. Der Hauptturm ist bei einem großen Sturm vor vielen Jahren eingestürzt, lange bevor ich geboren wurde. Jetzt tragen sie endlich die beschädigten Teile ab; für Reparaturen haben sie kein Geld. Aber der hintere Teil des Klosters ist unversehrt. Wir haben immer nocheinen Klostervorsteher und Mönche und alle unsere heiligen Stätten.« Sie hielt inne. »Hört Ihr nicht den Gesang?«
»Ich höre gar nichts«, erklärte Bruder Edmund niedergeschlagen.
Die Frau bat alle Umstehenden, still zu sein. Erst da hörten wir die erhebenden Klänge, die stolzen Stimmen der Mönche, die feierlich das Magnificat der abendlichen Vesper sangen.
Die Frau wandte sich Bruder Edmund zu. »Seid frohen Mutes, Sir«, sagte sie. Auch die anderen kamen näher, um ihm Trost zuzusprechen. »Wir haben hier noch immer unsere guten Mönche«, erklärte ein alter Mann. »Ihr werdet von unserer Abtei nicht enttäuscht sein.« Ich hatte ein solches Mitgefühl von Fremden lange nicht mehr erlebt. Und auch Bruder Edmund nicht, er war tief gerührt.
»Oh, dank Euch, Ihr guten Christenleute, dank Euch«, sagte er und schlug das Kreuz, bevor er durch den Torbogen auf den Klosteranger trat.
Ich drückte John und Luke schnell einige Münzen in die Hand. »Seht, ob ihr in der Nähe ein Gasthaus findet, und kommt in drei Stunden zurück«, sagte ich.
»Aber bis dahin ist es Nacht«, wandte John ein. »Was tun wir, wenn es kein Gasthaus gibt?«
Ohne ihm eine Antwort zu geben, lief ich Bruder Edmund nach, der schon über den Anger schritt. Ich stolperte über einen Stein, der im Zwielicht schlecht zu erkennen war, und schlug mir das Knie auf. Ich spürte die
Weitere Kostenlose Bücher