Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne
hielt einen Moment inne. »Manchmal glaube ich, dass Athelstan Nebel schickte, um sein Andenken in Dunkelheit zu hüllen und seine heiligen Reliquien vor dem Zugriff derer zu schützen, die sich unwürdig gezeigt haben und sie missbrauchen würden.«
Bruder Edmund und ich warteten gespannt.
»Sprecht Ihr von der Krone?«, fragte ich.
Die grünen Augen des Abts glitzerten im Kerzenlicht. »Ja.«
Ich sah Bruder Edmund fragend an. Als er nickte, trat ich vor den Abt hin. »Mein Name ist Schwester Joanna Stafford; ich bin Novizin bei den Dominikanerinnen in Kloster Dartford. Dies ist Bruder Edmund Sommerville, ein Ordensbruder aus Cambridge, der jetzt ebenfalls in Kloster Dartford lebt. Wir glauben, dass die Krone König Athelstans seit dem Tag seiner Gründung im Kloster Dartford verborgen ist. Wir sind hierhergereist, um mehr über den König und seine Krone zu erfahren, Genaueres über ihre Kräfte.«
Der Abt nickte, als hätte er nichts anderes erwartet. »Kommt mit.«
Er führte uns in sein Amtszimmer, aber anstatt uns aufzufordern, Platz zu nehmen, eilte er, ohne innezuhalten, zu einer Bücherwand in der Ecke und griff hinauf zur rechten oberen Ecke. Er drückte mit Kraft. Wir hörten es leise knarren. Die Bücherwand glitt weg, und hinter ihr öffnete sich ein schmaler Raum.
Ich drückte vor Aufregung beide Hände auf den Mund. Nach so einer Geheimtür hatte ich in Dartford wochenlang erfolglos gesucht. Ich frohlockte innerlich. Sobald ich wieder in Dartford war, würde ich die Wände des Amtszimmers der Priorin nach einem ähnlichen geheimen Zugang absuchen. Aber dann fiel mir ein, dass Cromwells Leute ja schon sämtliche Wände des Zimmers abgeklopft und sogar den Boden herausgerissen hatten, ohne etwas zu finden.
Der Abt winkte uns. »Nehmt die Kerze mit«, sagte er.
Wir traten in den schmalen Raum, Bruder Edmund mit der Kerze. Schon nach wenigen Schritten stießen wir auf eine Treppe, die abwärts führte.
»Wurde dieser Raum hier als Versteck für Athelstans Reliquien geschaffen?«, fragte Bruder Edmund, während wir abwärtsstiegen.
»Nein«, antwortete der Abt. »Der Gang führt zu unserem Dunkelraum. Die Reliquien haben wir erst später dorthin gebracht.«
»Was ist ein Dunkelraum?«, fragte ich.
»Ein Ort der Bestrafung für diejenigen, die sich so schwerer Vergehen gegen den Orden schuldig gemacht haben, dass sie eine Zeitlang entfernt werden müssen«, erklärte der Abt.
»Ein Verlies?«, fragte Bruder Edmund erschüttert.
»In gewisser Weise«, antwortete der Abt, der uns am Fuß der Treppe erwartete. »Es gab Mönche, die, von ihren Oberen für schuldig befunden, Jahre hier unten verbrachten, in Ketten. Wir benutzen diese Räume schon lange nicht mehr für solche Zwecke. Wir hatten schon damit aufgehört, bevor der Papst sich 1420 in seinem Edikt gegen eine solche Nutzung aussprach. Aber viele Klöster in England wurden mit solchen unterirdischen Verliesen erbaut, einzelnen Zellen oder ganzen Zellengängen. Nach dem Edikt schütteten die meisten Klöster sie zu. Als vor zwei Jahren die Kommissare bei uns waren, behaupteten wir natürlich, auch wir hätten die unseren zugeschüttet. Wir zeigten ihnen den ursprünglichen Eingang, in einem anderen Teil der Abtei. Hinter der Tür befand sich nichts als ein Geröllwall. Dieser Eingang hier, vom Amtszimmer aus, wurde heimlich angelegt.«
Der Abt ging weiter, einen schmalen Gang mit Lehmboden entlang.
»Suchten die Kommissare damals ausdrücklich nach Athelstans Reliquien?«, fragte Bruder Edmund. »Fragten sie nach der Krone?«
»O ja. Sie bedrängten uns unaufhörlich. Irgendwie schienen sie von der Existenz der Krone erfahren zu haben und vermuteten, dass sie mit besonderen Kräften ausgestattet sei. Aber sie wissen nicht, wo sie verborgen liegt. Layton und Legh, die beiden königlichen Kommissare, waren selbst hier, und ihre Leute haben die Abtei von oben bis unten durchsucht. Sogar Bischof Gardiner persönlich hat nachgefragt.«
»Gardiner war hier?« Meine Stimme war schrill vor Bestürzung.
Ein Mönch trat unversehens vor uns hin; er hatte in der Dunkelheit gelauscht. Es war der grauhaarige, misstrauische Mann, der ganz vorn in der Kirche gesessen hatte.
»Warum wollt Ihr das wissen?«, fuhr er mich in scharfem Ton an. »Was wisst Ihr von Stephen Gardiner, unserem Erzfeind?«
Kapitel 42
Die angespannte Stille in dem schmalen Gang war kaum zu ertragen. Dann endlich sagte der Abt: »Das ist Bruder Timothy, ein brillanter Mann, der
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