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Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne

Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne

Titel: Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Bilyeau
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wäre schon eingeschlafen, aber dann sagte er: »Gute Nacht, Schwester Joanna.«
    Der Traum begann nicht sogleich. Ich war so müde, dass ich eine Weile wie betäubt schlief. Aber dann befand ich mich plötzlich auf einem Feld. Es war wunderbar warm. Überall blühten Blumen in allen Farben. Ich pflückte sie und legte sie in meinen Korb. An einer Stelle leuchteten die roten Blumen besonders schön, und ich beugte mich hinunter, um einige auszusuchen.
    Eine weiße Hand packte meinen Arm, und ich glitt abwärts, immertiefer durch den feuchten Boden. Ein Schacht bildete sich, durch den ich mit großer Geschwindigkeit in die Tiefe stürzte. Ich schrie, aber ich wusste, dass niemand mich hören konnte.
    Dann hockte ich in einer Höhle, die Arme um die hochgezogenen Beine geschlungen. Wasser tropfte in einen dunklen Teich. Ich hörte Schritte und begann rascher zu atmen. Ich sah niemanden kommen, aber unversehens kniete ein Mann neben mir nieder. Er lächelte, um mich zu beruhigen. »Euch wird nichts Schlimmes geschehen, Schwester Joanna«, sagte er.
    »Ihr kennt meinen Namen?«, fragte ich.
    Er nickte.
    Ich war sehr schwach und ließ mich auf den Boden der Höhle sinken. Das Wasser tropfte schneller in den Teich neben meinem Kopf. Ich schloss die Augen. Ich wusste, dass gleich etwas mit mir geschehen würde. Ich wollte es nicht sehen. Aber ich wollte auch nicht aufstehen.
    Ich spürte Wellen eines linden Lufthauchs, die über meinen Körper zogen. Keine Hand berührte mich, nur dieser sanft kitzelnde Hauch. Er liebkoste mich, erhitzte mich mit schmerzhaft langen Zügen. Noch schneller tropfte das Wasser in den Teich und wurde zum Wasserfall. Ich hörte kurze, keuchende Atemstöße, aber nicht die eines Mannes. Meine Glieder brannten.
    Mit einem Ruck erwachte ich, schwitzend in meine Decke verwickelt, und sogleich überflutete mich eine Welle tiefster Scham. Ich hatte einen sündigen Traum gehabt. Ich wandte mich zum Flügelfenster neben meinem Bett. Der Mond stand hoch am Himmel. Es war mitten in der Nacht.
    Ich war müde und doch von Rastlosigkeit getrieben. Ich fragte mich, ob Bruder Edmund schlief. Wenn nicht, musste ich unbedingt mit ihm reden. Es war selbstsüchtig von mir und unrecht, aber ich brauchte seine Zusicherung, dass ich kein schlechter Mensch war. Ich setzte mich auf. Meine Hand zitterte, als ich zu der Decke griff, die er aufgespannt hatte.
    Ich zog sie nur ein klein wenig zur Seite. Mondschein erhellte das Zimmer. Deutlich erkannte ich den Strohsack auf der anderen Seite. Er war leer. Bruder Edmund war nicht da.
    Ich ließ mich wieder ins Bett fallen. Er hatte offenbar beschlossen, doch im Stall zu nächtigen. Ich war verwirrt und ein wenig ärgerlich, dass er das nach unserem Gespräch getan hatte. Aber ich war auch merkwürdig erleichtert.
    Das Aufstehen vor der Dämmerung fiel mir leicht; ich war es aus dem Kloster gewöhnt. Nachdem ich mich angekleidet hatte, ging ich nach unten.
    Die Mönche und Ordensbrüder hatten sich schon auf dem Hof vor dem Gasthaus versammelt. Bruder Edmund war im Gespräch mit zwei Benediktinern. John und Luke warteten etwas abseits mit unseren Pferden.
    Als Bruder Edmund zu mir trat, erwartete ich, dass er mir sein nächtliches Verschwinden erklären würde, aber er sagte nur kühl und unpersönlich: »Der Weg bis Stonehenge ist nicht weit. Wir gehen ihn mit den Brüdern zu Fuß und reiten von dort aus weiter. Dann sollten wir bequem vor Sonnenuntergang in Malmesbury eintreffen.«
    Ich nickte und wartete. Aber er sagte noch immer nichts über die vergangene Nacht. Mir fiel auf, dass er wohler aussah als sonst. Vielleicht war er von Albträumen verschont geblieben.
    Er neigte sich ein wenig zu mir hinunter und sagte mit gesenkter Stimme: »Ich gehe mit den Brüdern, aber Ihr solltet reiten.«
    »Wie? Haben sie Euch gebeten, mir zu sagen, dass ich Abstand halten soll?«, fragte ich entrüstet.
    »Nein.«
    »Wollt Ihr denn, dass ich von Euch getrennt gehe?« Ich war fassungslos.
    »Es wäre vielleicht das Beste«, sagte er.
    »Wenn wir zu dieser alten Kultstätte pilgern, dann werde ich mich nach Pilgerart fortbewegen, nämlich zu Fuß«, sagte ich zornig.
    Er wollte etwas erwidern, aber ich ließ ihn einfach stehen und ging zu Bruder Oswald. »Ich danke Euch für die Einladung. Ich bin jederzeit bereit.«
    Wir schritten durch die dunkle, stille Ortschaft. Ein Franziskaner mit einer dicken Kerze ging voraus. Unter unseren Füßen knirschte der gefrorene Boden.
    Ich ging

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