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Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne

Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne

Titel: Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Bilyeau
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auf ihn ein und quälten ihn, bis er tot war. So schändeten sie einen heiligen Ort.«
    Mich fröstelte trotz des wärmenden Feuers.
    Sie drückte mir das Medaillon in die Hand. »Behalt es.«
    »Margaret, ich kann es nicht annehmen, es ist dir viel zu teuer.«
    Meine Cousine zögerte, als lägen ihr Worte auf der Zunge, die sie nicht aussprechen wollte. »Ich möchte, dass du bei Hofe gut behütet bist«, sagte sie dann.
    Ich wusste, wie tief Margarets Abscheu gegen den König war, der ihren Vater getötet hatte. Sie begleitete ihre Schwester niemals an den Hof.
    »Ich werde doch immer an der Seite von Königin Katharina sein«, erinnerte ich sie. »Meine Mutter vertraut der Königin bedingungslos. Du brauchst keine Angst um mich zu haben.«
    »Ja, ich weiß, Joanna, die Königin ist eine reine und edle Frau. Aber willst du mir nicht den Gefallen tun und das Medaillon annehmen?«
    Der Blick ihrer großen Augen, in denen sich das ersterbende Licht der Flammen spiegelte, beunruhigte mich.
    Ich zog mir die fein gearbeitete Kette mit dem Medaillon über den Kopf. »Ich werde sie immer tragen, Margaret. Wirst du jetzt aufhören, dich um mich zu sorgen?«
    Margaret umarmte mich. »Danke«, flüsterte sie, und ich fühlte erschrocken ihre Tränen auf meiner Wange.

Kapitel 6
    Tower of London, Mai 1537
    Ich wusste, dass etwas nicht stimmte, das Bett war zu breit.
    Jeden Morgen kurz vor Sonnenaufgang läutete der Kirchendiener die Glocke, dann drehte ich mich auf die Seite und tastete nach dem Rand meines Strohlagers auf dem Boden des Novizinnendormitoriums. Rechts und links von mir schliefen Schwester Winifred und Schwester Christina.
    Im Stockdunkeln suchten wir nach unseren Gewändern, die wir am Abend zuvor sauber gefaltet am Fußende unseres Lagers bereitgelegt hatten, und kleideten uns eilig an. Minuten später sickerte es gelb durch die Ritze unter der Holztür, das Licht der näher kommenden Kerzen. Die vierundzwanzig Nonnen von Dartford schritten, auf dem Weg zu den Laudes, zwei und zwei an unserem Schlafraum vorbei. Wir warteten, bis das letzte Paar vorüber war, und nahmen dann die uns bestimmten Plätze am Ende des Zuges ein und schritten die steinernen Stufen zur Kirche hinunter.
    Doch an diesem Morgen fand meine tastende Hand das Bett ungewohnt tief und breit. Und das war nicht das einzig Verwirrende. Volles, warmes Licht drückte auf meine Lider. Die Sonne war schon aufgegangen. Aber das konnte nicht sein. Keine Nonne oder Novizin in Dartford hatte je die Laudes verschlafen. Mochten wir uns vor Magendrücken krümmen, vor Halsschmerzen kaum schlucken können, von den monatlichen Krämpfen geplagt sein, niemals versäumten wir das Morgengebet. Sonst drohte uns strengste Bestrafung.
    Ich wollte aufstehen und herausfinden, was geschehen war, es wieder in Ordnung bringen, aber eine seltsame Schwere umfing mich. Es gelang mir nicht, die Augen zu öffnen. Es war, als hielte das Bett selbst mich gefangen. Nur halbherzig versuchte ich, dagegen anzukämpfen, viel stärker war der Wunsch, mich dem Sog dieser angenehmen dunklen Leere zu überlassen.
    Nach einer Weile füllte sich die Leere, lachende, johlende Menschen mit vom Bier geröteten Gesichtern umgaben mich auf einemmorastigen Feld. Ich war wieder in Smithfield. »Du träumst«, sagte ich laut zu mir selbst. »Dir kann nichts passieren.« Und tatsächlich schienen meine Füße diesmal über dem Morast zu schweben. Ich flog, von der Luft getragen. Unbemerkt.
    Dann sah ich sie, und der Anblick riss mich auf die Erde hinunter. Sie schritt vorwärts, oh, ich kannte diesen stolzen Gang so gut, ihre Art, die Schultern zu straffen, wenn sie verärgert war. Ich wollte sie sehen, sie berühren, aber gleichzeitig hatte ich Todesangst. Ich fühlte mich nicht mehr wie im Traum aufgehoben. Es war Wirklichkeit geworden.
    Ich rief sie an, aber sie hörte mich nicht.
    »Mama, hilf mir!«, schrie ich. »Lass nicht zu, dass sie mich in den Tower werfen!«
    Meine Mutter drehte sich um; ihr Blick hielt mich fest. »Du hast es versprochen«, sagte sie ohne ein Lächeln zu mir. »Du hast ihr versprochen, das Geheimnis niemals zu verraten.«
    Ich erstarrte. »Von wem sprichst du?«
    Die schwarzen Augen meiner Mutter blitzten. »Du weißt es, Juana.
Era una promesa sagrada.
«
    Ich schüttelte heftig den Kopf. »Nein, Mama, nein. Du kannst davon nichts wissen. Du warst nicht dabei. Du warst schon tot!«
    Als hätte ich mit diesen Worten eine Verwünschung ausgesprochen, verschwand sie

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