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Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne

Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne

Titel: Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Bilyeau
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dass er gerade heute nach Dartford geritten ist und mich gefunden hat.«
    »Hör mir zu, Vater«, sagte ich. »Bruder Edmund ist ein guter Heiler, der beste, den ich kenne. Er wird dir helfen. Und ich werde alles für dich tun, für dich und für Arthur.«
    Mein Vater öffnete die Arme. »Komm zu mir, Joanna.«
    Wir umarmten einander lange. Und trotz allem, was ich erfahren hatte, trotz all der erschreckenden, verletzenden, ja abstoßenden Dinge, die ich hatte hören müssen, war die Umarmung meines Vaters die Antwort auf all meine Gebete.
    Später zog ich Bruder Edmund auf die Seite. »Ihr müsst ihn gesund machen«, beschwor ich ihn. »Versprecht es mir.«
    »Ich werde tun, was ich kann«, antwortete er. »Das wisst Ihr,Schwester Joanna. Aber es wäre nicht recht, Euch zu täuschen. Ihr seid alt genug und stark genug, um die Wahrheit zu hören. Das Herz Eures Vaters ist geschädigt. Diese Reise mitten im Winter vom Norden hier herunter hätte ihn beinahe umgebracht.«
    »Warum hat er das nur getan?«, jammerte ich. »Warum hat er nicht bis zum Frühling gewartet?«
    Bruder Edmund sagte ruhig: »Er wollte bei Euch sein, bevor es zu spät ist, Schwester Joanna. Er wollte mit Euch sprechen. Und Euch Euren Verwandten bringen.«
    »Verwandten?«
    Er sah mich an. »Ist Arthur Bulmer nicht Euer Verwandter?«
    »Ach so.« Ich holte tief Atem. »Doch, ja, natürlich.«
    Mir blieben fünf Tage mit meinem Vater. Trotz allem, was wir für ihn taten, wurde er immer schwächer. Es hatte eine Zeit gegeben, da hätte ich mich geweigert es zuzugeben   – mein Vater lag im Sterben. Aber Bruder Edmund hatte recht, ich war alt genug und stark genug, um der Wahrheit ins Gesicht zu sehen, mochte sie auch noch so schmerzhaft sein. Ich selbst schlug vor, dass ich Arthur großziehen und ihn nach der Schließung des Klosters bei mir aufnehmen würde, und mein Vater nickte dankbar.
    »Bei dir ist Arthur sicher«, sagte er mühsam.
    Mein Vater starb am 23.   Februar 1538.   Er hatte die letzte Ölung erhalten und glitt im Schlaf sanft hinüber.
    Die Priorin gab meiner Bitte statt. Er wurde auf dem Friedhof von Dartford begraben, auf einem Hügel zwischen dem Kloster und dem Leprahospital. Er wurde neben Bruder Richard zur Ruhe gebettet.
    Und über Tage wurden in der Klosterkirche besondere Gebete für die Seele Sir Richard Staffords gesprochen, jüngster Sohn des zweiten Herzogs von Buckingham, Bruder des dritten Herzogs von Buckingham und Vater von Schwester Joanna, Novizin im Dominikanerinnenkloster Dartford.

Kapitel 50
    Wenn man versucht, einen kleinen Jungen großzuziehen, bleibt wenig Zeit für Trauer oder Traurigkeit, Reue oder Zorn.
    Was mein Vater gesagt hatte, war wahr. Arthur war schwierig. Er verstand, was ich ihm sagte, aber er sprach sehr wenig. Er wollte nichts anderes tun als Dinge ausprobieren: laufen, hüpfen, klettern, ausschütten und abreißen, aufdecken und zudecken. Er wusste, dass ich jetzt seine Familie war, und hing an mir, trotzdem schlug er bei mir und allen Schwestern immer wieder über die Stränge. Wenn Bruder Edmund da war, wurde er meistens ein wenig ruhiger, aber der ungünstigste Ort für Arthur war ein Hospital voll zerbrechlicher Gegenstände und gefährlicher Mixturen.
    Am besten kam John mit ihm zurecht. Er machte im Stall Spiele mit Arthur und betraute ihn sogar mit einfachen Aufgaben. Ich fand es schlimm, dass ich meinen Halbbruder einem Stallburschen überließ, wenn ich keine Zeit für ihn hatte, aber was hätte ich tun sollen? Ich musste zur Messe gehen und beten und die Weberei leiten; ohne diese Observanzen und Pflichten wäre es sinnlos gewesen, überhaupt hier zu sein.
    Die Priorin hatte sich zu einer großen Ausnahme durchgerungen und Arthur erlaubt, im Kloster zu übernachten. Schwester Winifred zog ins Dormitorium der Nonnen um, und Arthur schlief bei mir. Wenn er schlief, war er ganz anders. Sein Gesicht war rein und sanft. Ich konnte meinen Vater in ihm erkennen und auch Margaret. Das gab mir ein Gefühl der Verbundenheit mit ihm. Tagsüber, wenn ich mit ihm kämpfte, war ich mir meiner Gefühle für Arthur nicht sicher. Er stellte meine Geduld auf eine harte Probe. Aber nachts, wenn ich den schlafenden kleinen Jungen betrachtete, der so hilflos war, wusste ich, dass ich ihn liebte. Ich würde ohne zu zögern für ihn sterben.
    Am dritten Dienstag im März, einem windigen Tag, der Regen ankündigte, beendete ich meine Tätigkeit in der Weberei ein wenig verspätet. Schwester Eleanor

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