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Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne

Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne

Titel: Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Bilyeau
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und faltig. Ein Netz geplatzter Äderchen überzog seine Nase.
    Beim Anblick der Musikinstrumente lächelte er beifällig. Er hatte Musik befohlen, wir waren bereit, sie zu bieten.
    Und dann rülpste er. Der schale Weingeruch traf mich wie ein stinkender Windstoß.
    Lord Chester war, so schien es, betrunken.

Kapitel 26
    »Wo ist meine Tochter?«, fragte Lord Chester laut und musterte mit zusammengekniffenen Augen die Nonnen auf den Steinbänken an den Wänden.
    Mein Blick fand Schwester Christina auf der anderen Seite des Saals. Das Licht des Spätnachmittags fiel über ihren Schoß, ihr Gesicht war im Schatten. Verschlossen.
    »Ah, da ist sie ja«, sagte Lord Chester. »Möchtest du mich nicht begrüßen, Kind?«
    Schwester Christina blieb stumm und reglos.
    Lady Chester beugte sich in ihrem Sessel vor. »Schwester Christina, ich grüße Euch an diesem Tag des Gedenkens«, rief sie nervös.
    »Ich grüße Euch, Lady Chester«, erwiderte Schwester Christina förmlich und fügte nach einer kleinen Pause hinzu: »Und Euch, Sir.«
    Die Priorin rief, die nachfolgende Pause überbrückend: »Wir alle grüßen Euch, Lord und Lady Chester. Es ist uns eine Ehre, Euch als Gäste in Kloster Dartford empfangen zu dürfen.«
    »Ah, das höre ich gern.« Lord Chester nickte in alle Richtungen. »Das höre ich gern. Ja. Das ist gut. Der Beginn einer neuen Ära.«
    Er hob seinen Weinbecher wie grüßend zur Priorin, dann trank er seinen ersten Schluck, so genießerisch und durstig, als hätte er den ganzen Tag noch keinen Tropfen gekostet.
    »Ehrwürdige Frau Priorin, wir haben uns verspätet, und dafür bitte ich um Vergebung«, sagte Lady Chester. »Wir haben zuerst noch das Grab unseres Sohnes besucht.«
    Lord Chester setzte mit einem Knall seinen Becher nieder und sah seine Frau wütend an. Sie wandte sich ab. Eine der Schwestern hustete, dann noch eine. Nervöses Unbehagen erfüllte den Saal.
    Die Priorin ergriff wieder das Wort. »Lord und Lady Chester, Ihr habt noch nicht Bruder Richard kennengelernt, der aus dem Dominikanerkloster Cambridge zu uns gekommen ist. Bitte sehr, Bruder Richard, unser neuer Superior.« Mit einer Geste wies sie auf den Ordensbruder. »Da Bruder Philip nicht hier sein kann, habe ich ihn gebeten, ein paar Worte zu sagen, ehe unser Festmahl beginnt.«
    Bruder Richard erhob sich. Ich setzte mich aufrechter.
    »Wir sind hier«, begann er, »um unserer Verstorbenen zu gedenken, jener, die uns vorausgegangen sind ins ewige Leben.«
    Lord Chester verschränkte die Arme über der Brust. Sein Blick war skeptisch und hätte einen anderen vielleicht unsicher gemacht.
    Aber Bruder Richard zeigte sich nicht im Geringsten eingeschüchtert.
    »Ist es nicht die Heilige Jungfrau, die uns jeden Tagen in unserem Glauben an dieses ewige Leben bestärkt?«, fragte er, sich mit ausgebreiteten Armen direkt an die Schwestern von Dartford wendend. »Wir alle sind einander im Glauben verbunden. Jede Tat, ob gut oder böse, wirkt auf uns alle. Und jedes Mal, wenn einer unter uns für dieSeele eines Verstorbenen betet, hilft das nicht nur dieser einen Seele, sondern all den anderen, die sich auf ihrer Reise zum Reich Gottes läutern müssen, um ewigen Frieden zu finden. Und darum bitte ich Euch heute, nicht nur für die Lieben in Eurem Leben zu beten, sondern für alle, die Euch vorausgegangen sind. Und trauert nicht. Freut Euch für sie, denn sie sind jetzt im himmlischen Königreich, und seid dadurch bestärkt und gefestigt in Eurem Glauben an Gott und die Heilige Jungfrau.«
    Ich dachte an meine Mutter. Ja, ich betete darum, dass sie in Gottes Reich den Frieden gefunden hatte, der ihr auf Erden versagt geblieben war. Bruder Edmund seufzte tief, und ich fragte mich, bei welchen Verstorbenen er in Gedanken weilte.
    »Und so segnen wir dieses Mahl, das vor Euch ausgebreitet werden wird«, schloss Bruder Richard und setzte sich.
    Die Priorin Joan lächelte stolz und mit einem Anflug von Überraschung, wie ich fand.
    »Das war sehr eloquent, ehrwürdiger Bruder«, sagte Lord Chester, immer noch mit verschränkten Armen. »Ich habe keine so wohlgesetzte Rede mehr gehört, seit Bischof Gardiner im letzten Jahr beim Hofgottesdienst in der St Paul’s Cathedral seine Predigt hielt, kurz bevor er nach Frankreich abgeschoben wurde.«
    Bruder Richard sah betroffen zuerst Bruder Edmund an, dann mich, und ich fragte mich, warum Lord Chester ausgerechnet Bischof Gardiner für diesen Vergleich herangezogen hatte. Wusste er, dass wir in

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