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Die letzte Offenbarung

Die letzte Offenbarung

Titel: Die letzte Offenbarung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan M. Rother
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auftauchen oder ein Tentakel wie in einem der billigen Streifen aus Cinecittà. Er lauschte. Die Brandschutztür war massiv. Zum Flur hin war sie mit Eichenfurnier verkleidet, doch hier, an der Innenseite, schimmerte mattes, kühles Metall, das sich nach und nach erwärmte, wo Amadeos Wange dagegen drückte.
    Er hörte — nichts. Hatte Niccolosi es sich etwa anders überlegt und war noch geblieben? Amadeo wollte ihm heute Abend nicht noch einmal begegnen. Er wollte seinen caffè — und er wollte nachdenken. Ein leichtes Ploppen war zu hören, als er das Ohr endlich vom Türblatt löste. Er legte die Hand auf das Ohr — es war kochend heiß. Dann befühlte er das andere: eiskalt. Sein Nacken fühlte sich an, als hätte jemand eines der Restauratorenwerkzeuge präzise zwischen dem zweiten und dritten Halswirbel versenkt.
    Ein caffè würde sicher helfen. Gegen den bösen Nacken und beim Denken. Nur dass er beim Denken noch gar nicht angekommen war. Vorsichtig öffnete er die Tür einen Spaltbreit und spähte in den Flur hinaus. Die Neonröhre leuchtete, und alles andere hätte ihn auch überrascht. Noch einmal lauschte er. Nichts. Amadeo trat auf den Flur und ging den langen Gang hinab, von dem Türen zu den einzelnen Büro- und Lagerräumen abzweigten. Die letzte zur Linken führte zu den WCs. Er zögerte. Nein, zuerst der caffè . Ein Mann musste Entscheidungen treffen.
    Entschlossen trat er in den großen, offenen Raum, um den sich die Arbeitsplätze der Restauratoren reihten. Niccolosis Platz war leer und peinlich aufgeräumt. Der heilige Antonius war in eine Presse gespannt, um zu fixieren, was immer der Kahlkopf mit dem Codex angestellt hatte. Auch an allen übrigen Tischen waren die Lampen erloschen. Das Licht aus den Deckenflutern war bereits eine Spur stärker als die Abenddämmerung, in die sich draußen in Richtung der Viale Aventino die Beleuchtung der Straßencafés mischte. Amadeo warf nur einen Seitenblick auf den Widerschein der Lichter über dem centro storico , der historischen Altstadt Roms, die der Brand zum Glück verschont hatte. Sie würden vor zwei oder drei Uhr nachts nicht erlöschen.
    Gleich rechts neben der Tür zum Büro des capo grüßte ihn die Espressomaschine mit dem freundlichen Grün der Bereitschaftslampe. Amadeo bückte sich nach einer der im Regal bereitstehenden Tassen, schob sie unter die Maschine und drehte den Wahlschalter ganz nach rechts. Caffè ristretto . Kein Italiener würde den um diese Uhrzeit trinken, jedenfalls nicht, wenn er vorhatte, noch zu schlafen. Der Gedanke an Schlaf erschien ihm jedoch geradezu bizarr. Andere menschliche Bedürfnisse waren da anders gelagert. Während mit beruhigendem Brummen das Mahlwerk der Maschine ansprang, eilte Amadeo raschen Schrittes zu den Toiletten. Das Geräusch musste einen Schlüsselreiz ausgelöst haben: Es ging um Sekunden.
    Erleichtert beugte er sich hinterher über das Handwaschbecken und spritzte sich Wasser ins Gesicht. Es war lauwarm, wie es zu dieser Jahreszeit immer lauwarm war, wenn es in der officina di Tomasi im fünften Stock des Geschäftshauses in der Via Oddone ankam.
    Amadeo betrachtete das Gesicht, das ihm aus dem nicht ganz sauberen Spiegel entgegenblickte. Die Haut wirkte eher gräulich als oliv, aber das lag an der Funzel im Waschraum. Der Mund war voll, fast sinnlich, die Nase gerade, vielleicht eine Spur zu scharf, und die dunklen Augen gefielen den Frauen — und ihm gefiel, dass sie den Frauen gefielen. Die Schatten darunter waren sonst nicht da. Nun, die Sache mit dem heiligen Antonius, ganz zu schweigen von den Papyri. Das war eine Erklärung. Amadeo fühlte sich im Moment sogar noch viel übler, als er aussah. Sein Haar war hell für einen Mann aus dem Mezzogiorno — ein Umstand, den er den fernen normannischen Vorfahren seiner Mutter zuschob. In Weimar hatten ihn viele Kollegen auf den ersten Blick für einen Deutschen gehalten und waren überrascht gewesen über seinen Akzent. Er selbst war auch überrascht gewesen — und ein wenig enttäuscht, dass man ihn so deutlich hörte, den Akzent. Trotzdem hatte er sich wohlgefühlt, fast heimisch, in Weimar, auch wenn die tedeschi nie so recht in die Gänge kamen. Ein seltsames Volk, da in Deutschland. Rom war anders. Rom war eben — Rom.
    Am schlimmsten war das gewesen, was sie in Deutschland »Kaffee« nannten. Als sein Zug auf der Rückreise am Brenner Aufenthalt hatte und der erste dampfende caffè vor ihm stand, war Amadeo kurz davor gewesen, den

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