Die letzte Praline
zum Vorwurf machen. Das ist ihre Art von Privatvergnügen. Dem Jurymitglied einer Weltmeisterschaft ist eine solche jedoch anzulasten. Und als solche hat sie auch ihrem Amt als Museumsdirektorin Schande gemacht. Ich werde mich trotzdem für sie verwenden.«
»Das wundert mich gar nicht.« Pit grinste.
»Ich weiß wirklich nicht, worauf Sie anspielen. Es war alles rein freundschaftlich.«
»Klar, intensiv freundschaftlich.« Er lachte bellend. »Wieso hat sie sich eigentlich nicht nur für van der Elst, sondern auch für Jón Gnarr so starkgemacht in der Jury?«
»Falls Sie damit andeuten wollen, dass sie auch bei diesem beteiligt sei, kann ich Sie beruhigen: Dies ist nicht der Fall. Sie schätzt ihn nur aufrichtig. Eine Frau, die sich begeistern kann, eine leidenschaftliche Frau.«
»Sie müssen es ja wissen, Professore! – Oh, da vorne gibt’s Fritten. Können wir kurz?« Er blickte zu Bietigheim, der ihn säuerlich ansah. »Okay, okay, ist schon gut, ich reiß mich am Riemen.«
Doch Adalbert wandte sich an den Kapitän. »Könnten wir dort drüben bitte kurz anhalten und eine Riesenportion Frit für den jungen Herrn hier erwerben? Es ist völlig verständlich, dass er keine Schokolade mehr sehen kann.«
Murrend hielt der vorne in dem schmalen Bötchen sitzende Kapitän darauf zu. »Wird sonst nie gemacht. Weil Sie es sind, Professor Bietigheim.«
Pit holte sich zwei Portionen, eine Speciaal mit Frietsaus, Curryketchup und Zwiebeln, eine andere mit seiner persönlichen Lieblingskombination: Pindasaus und Knoflook – Erdnuss- und Knoblauchsauce. Für alle anderen Passagiere hatte er sicherheitshalber einen Eimer Fritten geholt und dem Händler außerdem eine Plastikdrückbuddel Tomatenketchup sowie eine mit Mayonnaise abgekauft.
»Ach, was ich Ihnen noch gar nicht mitgeteilt habe«, sagte der Professor, welcher lieber bei Schokolade blieb, als er gerade eine Pfefferminzpraline aus Sicherheitsgründen im Wasser versenkte, »die Universität Brügge hat mir mitgeteilt, dass ich die Ehrendoktorwürde verliehen bekomme, einen Doktor h.c., honoris causa.«
»Damit wären es drei!« Pit pfiff bewundernd.
»Fürwahr. Ich hoffe, dass Cambridge nun auch mit der längst überfälligen Ehrendoktorwürde nachzieht.«
»Dann wären es vier. Na ja, andere sammeln Briefmarken. Oder Meisje-Pornos.«
»Und Sie? Was sammeln Sie, Pit?«
Der Hamburger Freund sah Adalbert überrascht an. »Haben Sie mich noch nie gefragt. Also, so was Persönliches.«
»Es fehlte die Gelegenheit dazu. Also, was sammeln Sie? Autos? Lederjacken? Professoren?«
»Sie erzählen es keinem weiter?«
»Nein.«
»Niemals?«
»Niemals«, versicherte Adalbert.
»Lego. Modelle. Aus dem Weltraum. Ich hatte ja erzählt, dass meine Nichte Lego liebt. Das war gelogen. Ich bin’s selbst.«
»Kinderspielzeug?«
»Nein, kein Kinderspielzeug«, wehrte Pit ab. »Teilweise komplizierte Modelle mit Tausenden von Teilen. Die baue ich zusammen. In Spitzenzeiten. Das ist Sport!«
»Mit Kinderspielzeug«, stellte der Professor noch einmal klar.
»Fußbälle sind auch Kinderspielzeug.«
»Touché«, erwiderte Bietigheim. »Ich bleibe jedoch weiter bei meinen mickrigen Doktortiteln.« Ein feines Lächeln umspielte seine Lippen.
»Apropos Titel«, sagte Pit mit vollem Mund. Es war verwunderlich, wie viele Fritten seine Anatomie in diesem zuließ – und trotzdem Sprache ermöglichte. Eine Art Sprache. »Die Drecksau von Cloizel bleibt Weltmeister?«
»Oh, nein. Er hat den Titel zwar fair gewonnen, aber zuvor einen Konkurrenten aus dem Weg geräumt und sich damit einen Vorteil verschafft.«
»Van der Elst hätte nie gewonnen«, gab Pit zu bedenken.
»Es geht ums Prinzip.«
»Das heißt, jetzt ist der nette Schotte Weltmeister?«
»Edward Macallan, sehr richtig. Er hat mich übrigens zu sich nach Edinburgh eingeladen, meinte, ich müsse mich unbedingt eingehend mit Whisky beschäftigen – als wenn ich das nicht schon längst getan hätte. Merkwürdigerweise hat er Sie auch eingeladen. Sie sollen wohl bei irgendwelchen Highland Games Baumstämme werfen.«
»Oha.« Der Gedanke gefiel Pit. »Ich habe übrigens nie gedacht, dass Macallan es ist. Am Anfang war ich mir sicher …«
Doch weiter kam Pit nicht. Denn jetzt war Wolfi es leid.
»Könnt ihr endlich aufhören, über diese Mordgeschichte zu schwafeln? Ihr tuschelt ja wie Mädchen auf dem Schulhof!« Er wandte sich zu seinen Kindern im Heck. »Und ihr hört mit den Nintendoboysdingern auf und
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