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Die letzte Rune 01 - Das Ruinentor

Titel: Die letzte Rune 01 - Das Ruinentor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Mark
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vermittelten, daß in ihr etwas zerbrochen war, etwas, das sie verbergen mußte. Zwar nicht hinter einem Tuch, aber doch hinter einer Mauer aus Schweigen.
    Sie winkte Durge und steuerte Aryn auf ihn zu, und obwohl der Ritter nicht lächelte, schien sich seine düstere Stimmung etwas zu heben.
    »Durge, ich freue mich so, Euch zu sehen«, sagte Grace.
    »Lady Grace. Lady Aryn.«
    Der Ritter setzte zu einer steifen Verbeugung an, aber Grace reichte ihm statt dessen die Hand. Er kam kurz aus dem Konzept, fing sich wieder und küßte sie. Zwar war seine Geste etwas ungelenk, aber trotzdem tausendmal charmanter als alle eleganten Posen Leothans zusammen. Grace konnte sich durchaus vorstellen, daß Durge anderen unansehnlich erschien. Sein Gesicht war kantig, die Nase uneben, die Stirn von Jahren der ständigen Sorge gefurcht. Aber für sie sah er besser aus als jeder Leothan.
    Ihr kam eine Idee. Sie sah Aryn an. »Vielleicht möchte Durge mit dir tanzen.«
    Der Ritter warf Aryn einen überraschten Blick zu. »Ich bin sicher, daß sich die Baronesse lieber ausruhen möchte, als mit mir zu tanzen.«
    Aryn nickte hastig. »Ja, das stimmt. Vielen Dank für Euer Verständnis, Mylord.«
    Grace sah unglücklich aus. Sie wollte etwas sagen, aber genau in diesem Moment kündigten Fanfaren den Beginn des Abendessens an. Durge verbeugte und entschuldigte sich.
    »Eßt Ihr denn nicht mehr an der Hohen Tafel mit uns?« fragte Grace.
    »Da die Könige und Königinnen mittlerweile eingetroffen sind, hat König Boreas meinesgleichen nicht mehr nötig, um seine Tafel zu besetzen.« Der Ritter schien darüber nicht verärgert zu sein, sondern es einfach nur sachlich zur Kenntnis zu nehmen.
    Die Worte enttäuschten Grace. Sie wollte schon sagen, daß sie sich auf jeden Fall neben Durge setzen würde, aber Aryn zog an ihrer Hand, und sie mußte sich notgedrungen übereilt verabschieden.
    »Ich weiß wirklich nicht, warum du Durge so magst«, sagte Aryn auf dem Weg zur Hohen Tafel. »Er ist alt. Und so abweisend. Und überhaupt nicht gutaussehend.«
    »Ach ja?« erwiderte Grace. »Und ich dachte gerade, daß er der netteste Mann ist, dem ich je begegnet bin.«
    Aryn wollte noch etwas sagen, aber sie waren schon an der Tafel angekommen, und die Baronesse mußte ihren Platz zur Rechten des Königs einnehmen, während Grace sich einen freien Platz am Ende der Tafel suchte. Sie fand sich neben König Kylar von Galt wieder. Aus der Nähe betrachtet war er noch jünger als vermutet, höchstens fünfundzwanzig, mit einem offenen Gesicht und hellbraunen Augen, die für einen Monarchen viel zu sanft wirkten. Sie nippte an dem Pokal, der zwischen ihnen stand, wischte den Rand mit einer Serviette ab. Dann hatte sie den Mut, sich dem jungen König vorzustellen. Sein Lächeln war schüchtern, aber ehrlich, und er nahm den Pokal, als sie ihn ihm reichte.
    »Ich f-f-freue mich sehr, Eure Bekanntschaft zu machen, M-m-m-mylady.«
    Er kämpfte tapfer mit den Wörtern, dann wandte er den Blick ab und errötete unter dem weichen Flaum seines braunen Bartes.
    Ach, natürlich. Er hatte den Pokal mit der linken Hand gehoben. Er erfüllte all die üblichen Kategorien: männlich, Linkshänder, Zwilling. Auf der Erde hätte er eine Sprachtherapie gegen das Stottern und seine Redeangst bekommen. Höchstwahrscheinlich hätte er mit elf oder zwölf normal gesprochen. Aber hier … hier würde er wohl sein ganzes Leben lang stottern. Grace seufzte. Manchmal kam ihr der Gedanke, daß sie diese Welt vielleicht doch haßte.
    Ihre Hand kroch über den Tisch und berührte die seine: kühl, beruhigend, die Hand einer Ärztin. »Darf ich Euch noch etwas Wein einschenken, Euer Majestät?«
    Er starrte sie an, dann kehrte sein Lächeln zurück; es war schief und dankbar. »Ja, b-b-bitte, Euer D-d-durchlaucht.«
    Seine Dankbarkeit machte Grace beinahe verlegen. Was würde Kylar wohl denken, wenn er wüßte, daß ihr Selbstbewußtsein lediglich durch seine Behinderung zustande kam? Sie verdrängte den Gedanken und goß den Wein ein.
    Während Kylar trank, sah Grace sich um. Die Könige und Königinnen der Domänen unterschieden sich alle auffällig voneinander. Am anderen Ende der Hohen Tafel saß hager und blaß König Sorrin von Embarr, Durges Lehnsherr. Er beugte sich über sein Essen, ohne es anzurühren. Direkt neben ihm saß Königin Eminda von Eredane, eine Frau mittleren Alters mit breiter Taille, die auf eine matronenhafte Art recht ansprechend ausgesehen hätte, wenn ihre

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