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Die letzte Rune 01 - Das Ruinentor

Titel: Die letzte Rune 01 - Das Ruinentor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Mark
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Schwester.«
    Kyrene riß die Augen auf. »Ja, Euer Majestät!«
    Einen Augenblick lang erschien sie neben der Königin nicht wie die sinnliche Gräfin, die Grace kannte, sondern wie ein verwöhntes, pausbäckiges Kind, das erst jetzt begriff, daß es seine Grenzen schon vor langer Zeit überschritten hatte. Grace verstand nur wenig von dem, was gerade geschehen war, trotzdem ließ es sie lächeln.
    »Ich möchte mich gern in mein Gemach zurückziehen«, sagte sie. »Mit Eurer Erlaubnis, Euer Majestät.«
    Ivalaine nickte. Grace machte einen Knicks und suchte sich mit Aryn an ihrer Seite einen Weg durch die Menge, zurück in die Zuflucht des Oberen Burghofes. Sie brauchte nicht über die Schulter zu blicken, um zu wissen, daß zwei smaragdgrüne Augen hinter ihr herfunkelten.

59
    Am nächsten Tag trafen zwei Könige auf Calavere ein. Sorrin, der König von Embarr, kam kurz nach Einbruch der Morgendämmerung zum Schloßtor. Seine prunklose Begleitung bestand lediglich aus fünf Wagen, zehn Höflingen und einem Dutzend Ritter, von denen jeder ebenso schwarzes Haar und ein ebenso finsteres Gesicht hatte wie Graces Retter Durge. König Sorrin selbst war ein hochgewachsener Mann, aber er saß gebeugt und wirkte fast schon ausgezehrt; für einen Adligen war er ungewöhnlich ungepflegt. Sein Haar war dünn und zerzaust, die schwarze Kleidung abgetragen und unordentlich. Aber er war nichtsdestotrotz ein König, und obwohl eingefallen und kantig, strahlte sein Gesicht Persönlichkeit aus. Seine braunen Augen waren aufmerksam und intelligent, aber Grace hatte an ihrem Platz auf der Brustwehr das Gefühl, daß auch etwas Heimgesuchtes in ihnen lag.
    Gegen Mittag ertönten erneut die Hörner, um die Ankunft König Lysandirs von Brelegond anzukündigen.
    Lysandirs Reisegesellschaft bot ein entschieden anderes Bild als Sorrins und war größer und bunter – wenn auch vielleicht nicht beeindruckender – als Königin Ivalaines Begleitung. Lysandir selbst war ein unscheinbarer, weichlich wirkender Mann mittleren Alters mit schütterem Haar, der in den übertriebenen Mengen von Scharlachrot, Blau und Gold, in die er gekleidet war, fast völlig unterging. Die meisten Mitglieder seines umfangreichen Hofstaates waren in kaum weniger prunkvolle Gewänder gekleidet, und selbst die Pferde trugen Pfauenfedern im Zaumzeug. Die Wagen des Königs waren zwar bunt gestrichen, aber nicht gerade in besonders gutem Zustand; einer verlor ein Rad, als er durch das offene Tor von Calavere klapperte. Grace mußte laut lachen beim Anblick der drei herausgeputzten Höflinge, die mit entsetztem Gesichtsausdruck durch den Sturz des Wagens in den Schlamm geworfen wurden.
    Nach der kurzen und willkommenen Abwechslung, mit Aryn auf der Brustwehr zu stehen und der Ankunft der Könige zuzusehen, war Grace wieder sich selbst überlassen, als die Baronesse davoneilte, um sich um ihre Pflichten zu kümmern.
    Grace ließ sich auf dem Weg in ihr Gemach Zeit. Sie hatte keine Lust, sich weiter mit den Büchern zu beschäftigen, aber der Himmel hatte sich verfinstert, und obwohl es für echten Schnee noch nicht kalt genug war, sah es doch nach Schneeregen aus. Außerdem waren ihre letzten beiden Exkursionen außerhalb des Schlosses in mittleren Katastrophen geendet. Es war sicherer, drinnen zu bleiben. Also spazierte sie ohne konkretes Ziel umher.
    Für gewöhnlich spielte Grace beim Spazierengehen mit der Halskette, mit der man sie als Kind gefunden hatte. Seit ihrer Ankunft auf Eldh hatte sie diese sicherheitshalber in dem Lederbeutel an ihrem Gürtel aufbewahrt. Jetzt zog sie sie heraus und legte sie sich um den Hals. Das trapezförmige Stück Metall fühlte sich kalt an ihrer Kehle an. Mit einer Hand betastete sie die in die glatte Oberfläche eingearbeiteten Symbole. Runen. So hatte Hadrian Farr sie genannt. Laut Farr interessierten sich die Eisenherzen für Runen wie die auf ihrer Kette. Aber warum bloß?
    »Ich wünschte, Sie wären jetzt hier, Farr«, sagte sie. »Irgendwie glaube ich, daß Sie alles, was mir hier passiert ist, besser verstehen würden.«
    Aber Farr war jetzt in einer anderen Welt. Es war unwahrscheinlich, daß sie ihn jemals wiedersehen würde, von Denver ganz zu schweigen. Der Gedanke hätte ihr unangenehm sein sollen, aber das war er nicht. Sie verspürte nicht das geringste Bedauern, die Erde verlassen zu haben, genausowenig wie damals North Carolina nach dem Medizinstudium.
    Was ist los mit dir, Grace? Kannst du nicht wenigstens einmal

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