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Die letzte Rune 01 - Das Ruinentor

Titel: Die letzte Rune 01 - Das Ruinentor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Mark
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Mylady.«
    Sie legte überrascht eine Hand auf die Brust und drehte sich um. Durge stand im Schatten einer Säule.
    »Ich habe nicht von dem Tanz gesprochen, Durge.«
    Der embarranische Ritter trat einen Schritt vor. »Ich weiß.«
    Grace schüttelte den Kopf und wünschte sich, ihm das glauben zu können. Sie richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Tänzer. Der Große Saal schien sich in ein stürmisches Meer aus Farben verwandelt zu haben, in dem sie nur allzu leicht ertrinken konnte. Wenn sie doch nur etwas hätte, das sie über Wasser halten könnte. Etwas oder …
    Sie wandte sich wieder dem Ritter zu. »Ich schaffe das nicht allein, Durge. Ich kann nicht König Boreas' Spionin beim Rat der Könige sein. Nicht ohne Hilfe.« Eigentlich sah ihr das nicht im mindesten ähnlich, aber in ihrer Verzweiflung war ihr das egal. Sie streckte die Hand aus und berührte seine Schulter. »Wollt Ihr mir helfen, Durge? Nicht nur heute abend, auch morgen und übermorgen, bis das alles vorüber ist? Bitte?«
    Sein Gesicht hätte genausogut aus Stein gemeißelt sein können. Grace befürchtete schon, er würde sich von ihr abwenden. Dann zuckte er mit den Schultern.
    »Nun, da mein König mit seinen bevorzugten Dienern und Beratern eingetroffen ist, gibt es für mich nicht viel zu tun. Ich fürchte, ich bin viel besser für die Wanderschaft geeignet als für das Leben bei Hofe.« Er nickte ernst. »Ja, Mylady. Ich werde Euch helfen. Aber nicht, um König Boreas' Sache zu fördern. Ich tue es für Euch, allein für Euch.«
    Dann überraschte Grace sich selbst – sie lachte. Zum ersten Mal seit Tagen verspürte sie wieder Hoffnung. Das Meer toste immer noch um sie herum, aber sie hatte noch keinen Schiffbruch erlitten.
    »Damit habt Ihr mich das dritte Mal gerettet, Durge.«
    Zu ihrer Überraschung, ihrer Verlegenheit und – seltsamerweise – auch ihrem Entzücken kniete er vor ihr nieder und senkte den Kopf.
    »Euer Diener, Mylady.«

61
    Es war spät.      
Grace erwachte im Mondlicht, das durch ihr Fenster schien. Sie setzte sich in ihrem Bett auf, verzog das Gesicht und hielt sich den Schädel. Sie hatte Kopfschmerzen – die Nachwirkung von zu viel Wein. Sie trug noch immer das Gewand, das sie am Abend getragen hatte, aber es war nun verrutscht und verknittert. Sie bemühte sich, sich zu erinnern. Nach ihrer Unterhaltung mit Durge hatte sie sich selbstbewußt genug gefühlt, in Begleitung des Ritters durch den Saal zu spazieren. Sie hatte mit einigen der Adligen gesprochen, ja sogar mit einem oder zwei Königen. Nur schien jeder zweite ihr einen vollen Pokal in die Hand gedrückt zu haben. Das letzte, woran sie sich erinnern konnte, war, daß Durge sie bis an die Tür ihres Gemachs gebracht hatte. Dann mußte sie, ohne sich umgezogen zu haben, in ihr Bett gekrochen und eingeschlafen sein.
    Aber was hatte sie aufgeweckt? Es war ein Geräusch gewesen: aus weiter Feme, aber hoch und silbrig, fast wie der Klang von … Glocken. Ja, das war es, es hatte wie weit entfernte Kirchenglocken in einer stillen Winternacht geklungen. Aber bei all ihren Erkundungen von Calavere war ihr noch kein Glockenturm aufgefallen. Und selbst wenn es einen gäbe, wer würde so spät in der Nacht noch die Glocken läuten? Von Neugier getrieben stand sie auf, schlurfte zur Tür und ging hinaus in den Gang.
    Der Steinboden fühlte sich kalt unter ihren nackten Füßen an. Offenbar hatte sie es zumindest geschafft, ihre Stiefel auszuziehen. Sie schaute in beide Richtungen den Gang entlang. Das Schloß war vollkommen ruhig. Und jetzt?
    Sie fing gerade an, sich dämlich vorzukommen, und wollte wieder ins Gemach zurückkehren, einen Schluck Wasser trinken, sich ausziehen und zurück ins Bett schlüpfen, als sie es wieder hörte. Beim ersten Mal war sie noch zu schläfrig gewesen, um sich ganz sicher zu sein. Aber jetzt war sie hellwach, und es gab keinen Zweifel mehr. Das leise Geräusch kam nicht von draußen, sondern aus dem Inneren des Schlosses.
    Glockenklang.
    Sie hastete den Korridor entlang auf das Geräusch zu. Eine Minute später hörte sie es wieder, diesmal lauter. Sie ging schneller, bis sie schon fast durch die gewundenen Korridore rannte. Dann ließ ein kalter Luftstoß sie ruckartig anhalten. Der Gang endete in einem mit einem einzelnen runden Fenster versehenen Alkoven. Das Fenster stand offen, eiskalte Luft wehte herein. Grace ging auf das Fenster zu und sah zitternd hinaus. Draußen hatte es geschneit, aber jetzt waren die

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