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Die letzte Rune 01 - Das Ruinentor

Titel: Die letzte Rune 01 - Das Ruinentor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Mark
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sie das Wort genausogut in ihrer lautesten Stimme brüllen können, statt es leise zu murmeln. Die Mägde stießen wie aus einem Munde einen Schrei aus. Die eine ließ das Tablett auf den Tisch fallen, daß das Geschirr laut schepperte. Die andere ergriff die feuchten Sachen und raffte sie zu einem Ball zusammen. Dann eilten beide auf die Tür zu.
    Grace hob beunruhigt die Hand. »Wartet! Das sind meine Sachen!«
    Es war zu spät. Beide Mägde warfen ihr noch einen entsetzten Blick zu, dann flohen sie aus dem Gemach und schlossen die Tür hinter sich.
    Grace kaute auf der Unterlippe herum. Was hatte das denn zu bedeuten gehabt? Sicherlich sah sie nicht mehr so schrecklich aus wie zuvor – obwohl ihr im nachhinein bewußt wurde, daß ihr Haar nicht gekämmt war, und eine tastende Hand ihr bestätigte, daß es der Schlaf völlig zerzaust hatte. Doch das erklärte eigentlich nicht, warum die Mägde anscheinend solche Angst vor ihr gehabt hatten. Und warum hatten sie ihre Kleidung mitgenommen?
    Grace stieg aus dem Bett und ging zu dem riesigen Kleiderschrank. Es blieb ihr nichts anderes übrig, als eines der Gewänder anzuprobieren. Mit wachsender Verzweiflung unterzog sie jedes einer genauen Musterung und entschied sich schließlich für eines, das nicht ganz so kompliziert erschien. Es handelte sich um ein voluminöses Gebilde, das aus mehr Metern blauer Wolle bestand, als Grace zählen konnte. Sie streifte sich das Gewand über den Kopf, und sein Gewicht hätte sie beinahe zusammenbrechen lassen, aber sie biß die Zähne zusammen und schaffte es, auf den Füßen zu bleiben. Nun folgte viel Gezerre und Zurechtgezupfe, bei dem sie mit den unzähligen und unerklärlichen Verschlüssen und Bändern des Gewandes kämpfte.
    Es war sinnlos.
    Grace hielt sich für eine intelligente Frau, aber die Logik dieses Kleidungsstücks überstieg ihr Begriffsvermögen. Egal was sie auch versuchte, entweder klaffte es weit auf oder knüllte sich zusammen und ließ sie grundsätzlich wie einen zu dick gepolsterten Stuhl aussehen. Erschöpft schnaubend befreite sie sich aus dem Gewand und stopfte es mit ein paar ausgesuchten Bemerkungen in den Schrank zurück.
    Sie wollte gerade die Schranktür zuschlagen – sie wollte die Gewänder nicht einmal mehr ansehen müssen –, als ihr Blick zufällig auf ein in die Ecke gestopftes Stoffknäuel fiel. Sie holte das Bündel heraus und entfaltete es. Es handelte sich um ein langes Hemd aus brauner Wolle, dicke grüne Beinlinge und einen Ledergürtel. Das entsprach schon eher ihrem Geschmack. Grace zog sich die Kleidungsstücke über die Unterwäsche. Hemd wie auch Hosen waren ausgebeult, und sie vermutete, daß sie einem Diener gehörten, der sie hier vergessen hatte. Aber die Tracht war warm und bequem und – was am wichtigsten war – verständlich. Sie gürtete das Wams an der Taille und bemerkte, daß an dem Gürtel ein Lederbeutel befestigt war. Sie ging zum Kaminsims, streifte die Kette über den Kopf und verstaute den Anhänger unter dem Wams. Dann nahm sie die Karte der Sucher und die halbe Münze, steckte beides in den Beutel und band ihn zu.
    »Na also, geht doch«, sagte Grace zufrieden.
    Ein appetitlicher Geruch drang an ihre Nase. Ihr Blick fiel auf das Tablett. In der Nähe hatte man einen Stuhl abgestellt. Ihr Magen gab ein lautes Protestgrollen von sich, um sie wissen zu lassen, daß sie ihn schon zu lange ignoriert hatte und es höchste Zeit war, ihm ihre Aufmerksamkeit zu schenken. Grace betrachtete das Tablett einen Moment lang, dann ging sie zum Tisch und setzte sich. Schließlich beeinträchtigte Hunger den Denkprozeß. Es war einfach klüger, sich mit vollem Magen einen Plan auszudenken.
    Grace hob die diversen Deckel und Tücher hoch und erforschte den Inhalt der Schalen. Die Kost war eigentümlich: Scheiben kalten Fleisches mit einer grünen, eingedickten Soße, winzige pochierte Eier, die auf einer dicken beigen Suppe schwammen, ein mit geheimnisvollen Kräutern bestreuter Brotpudding sowie getrocknete, ihr unbekannte Früchte in dickem Rahm. Sie musterte das Essen kurz, dann siegte der Hunger über die Vorsicht.
    Sie probierte den Inhalt einer Schale. Sekunden später schaufelte sie sich Essen in den Mund. Das Fleisch war nahrhaft und köstlich, solange sie das grüne Zeug mied, und während die Eier einen starken, unangenehmen Nachgeschmack hatten, schmeckte die gelbe Suppe nach Lauch und Kartoffeln und war ganz akzeptabel. Der Brotpudding war mit einem Hauch Anis

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