Die letzte Rune 01 - Das Ruinentor
Meinung zu schätzen wissen.« Er zog einen in ein Stück Tuch eingeschlagenen Gegenstand aus dem Rucksack. »Das habe ich in der Schattenkluft gefunden.«
Der Barde legte das Bündel auf einen flachen Stein. Neugierig geworden, stand Travis auf und kam heran. Falken schlug das Tuch beiseite und enthüllte den darin verpackten Gegenstand. Es handelte sich um eine Scheibe aus einer Art weißem Stein, die etwa die Größe von Travis' gespreizter Hand aufwies. In die Oberfläche war ein silbernes Symbol eingraviert worden.
Ein gezackter Riß verlief durch die Mitte der Scheibe und teilte sie in zwei Hälften.
Melia betrachtete das Artefakt und schürzte interessiert die Lippen. »Also ich finde, das sieht aus wie eine gebundene Rune. Was bedeuten würde, daß sie ziemlich alt ist. Die Kunst der Runenbinder hat man schon seit Jahrhunderten nicht mehr in Falengarth gesehen.«
Falken nickte. »Eine gebundene Rune – das war auch meine Meinung, aber ich bin froh, dieselbe Antwort aus dem Mund eines anderen zu hören. Ich weiß nur wenig über Runen, aber ich glaube …«
Die Worte des Barden verwandelten sich in Travis' Ohren in ein Summen. Er starrte die zerbrochene Rune an. Der Stein sah so weich wie Rahm aus, und es juckte ihn in den Fingern. Wie würde er sich wohl anfühlen? Bevor er wußte, was er da tat, streckte er die rechte Hand aus und berührte die zerbrochene Rune.
Blaue Glut brach aus der Steinscheibe hervor, das silberne Symbol strahlte in grellem Weiß auf. Im selben Augenblick erklang in Travis' Bewußtsein eine Stimme und sprach ein ihm unbekanntes Wort.
Krond.
Aber das war nicht einmal das Seltsamste: Er kannte die Stimme. Sie klang genau wie Jack Graystone.
Travis schrie überrascht auf. Er riß die Hand zurück, augenblicklich erlosch das azurfarbene Licht. Das Symbol auf der Scheibe verblaßte, und die Stimme in seinem Kopf verklang.
Travis rieb sich die Hand – sie kribbelte schrecklich –, dann packte Falken sein Handgelenk und drehte es um.
Eine Welle der Ungläubigkeit durchfuhr Travis. Die anderen starrten ihn an, als wäre ihm gerade ein zweiter Kopf gewachsen. Das heißt, alle bis auf Melia; ihr Ausdruck war grimmig und berechnend.
Es trat aus Travis' rechter Handfläche hervor – die Hand, die Jack in jener Nacht im Magician's Attic gepackt hatte – und glühte silberblau wie ein seltsames Brandzeichen. Es handelte sich um ein Symbol, aber es war ein anderes Symbol als das auf der zerbrochenen Rune. Ihm entfuhr ein leises, furchtsames Aufstöhnen.
»Oh, Jack«, flüsterte er. »Was hast du mit mir gemacht?«
33
»Ich glaube, Falken«, sagte Melia, während sie durch das grasige Rund im Inneren des aufgegebenen Turms schritt, »es ist Zeit, daß du uns mehr über deine Komplikation erzählst.« Sie richtete ihren bernsteinfarbenen Blick auf Travis.
Travis sackte auf einen Felsblock, ließ den Kopf hängen und hielt sich das rechte Handgelenk. Das Symbol auf seiner Handfläche war bereits wieder verblaßt, aber er konnte es noch immer dort fühlen; es war wie ein Prickeln unter der Haut. Das glühende Bild hatte sich in sein Gehirn eingebrannt, so daß er das Symbol – drei sich kreuzende Striche – bei jedem Blinzeln erneut sah.
Fragen wirbelten durch seinen Verstand. Wie hatte Jack die Striche in seine Hand versenkt? Und was bedeutete das Symbol?
Nein, es war kein Symbol. Obwohl es sich von dem Zeichen auf der gespaltenen Scheibe, die Falken aus der Schattenkluft mitgebracht hatte, unterschied, entstammte es mit Sicherheit derselben Art. Wie hatte der Barde den Stein genannt? Eine Rune? Aber das beantwortete die Frage noch immer nicht. Was hatte Jack mit ihm gemacht?
Beltan trat von einem Fuß auf den anderen, sagte aber nichts. Offensichtlich überließ der hagere Ritter das Thema Magie Falken und Melia. Ja … Magie. Es konnte nichts anderes sein. Nur daß in den Geschichten, die Travis als Kind gelesen hatte, Magie stets eine wunderbare und aufregende Sache gewesen war. Doch das hier war finster und furchterregend und trennte einen von seinen Mitmenschen. Schon betrachteten ihn die anderen mit einer Spur Mißtrauen.
Falken verschränkte die Arme über dem grauen Wams. »Ich war der Meinung gewesen, wir hätten alle deine kleinen Überraschungen hinter uns gebracht, Travis.«
»Das war ich auch.« Travis hob den Kopf. »Ich muß es Lady Melia und Beltan erzählen, nicht wahr? Alles, was mir passiert ist.«
»Das dürfte wohl eine gute Idee
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