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Die letzte Rune 05 - Der Tod der Götter

Titel: Die letzte Rune 05 - Der Tod der Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Mark
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die in der Mitte des Hains standen – sie musste in diese Richtung gegangen sein, als Aryn gegen sie geprallt war. Sie war wunderschön, allerdings nicht auf die blasse und perfekte Weise Cirynns. Ihre Schönheit schien von innen nach außen zu strahlen; ihre Lebendigkeit war völlig unabhängig von der Hülle, in die sie gekleidet war, so wie das Licht einer Lampe.
    Ihre Haut hatte die Farbe von Mandeln, ihre Wangen waren hoch angesetzt, und ihre Nase war klein und flach. Ihre dunklen Augen waren an den Rändern leicht schräg, und die ersten feinen Fältchen, die von ihnen ausgingen, verliehen ihr das Aussehen einer weisen Frau. Ihr pechschwarzes Haar wies eine einzelne weiße Strähne auf. Vor Jahren war Aryn einer Gräfin begegnet, die das gleiche exotische Aussehen gehabt hatte; sie war aus den östlichen Weiten Eredanes gekommen. Galt das auch für diese Hexe?
    »Schwester?«
    »Mir geht es gut, wirklich. Danke.« Doch während sie dies sagte, glitt ihr Blick zu Cirynns Gruppe.
    Das entging der anderen Frau nicht. Sie nickte mit einem wissenden Ausdruck in ihren Augen. »Ihr dürft sie nicht beachten, Schwester. Sie zweifeln an ihrer eigenen Schönheit und müssen darum die von anderen herabsetzen. Wenn sie älter werden, werden sie herausfinden, dass Schönheit eher gefunden als gegeben wird. Das werdet Ihr auch.« Sie verstummte. »Andererseits, Ihr seid über Euer Alter weit hinaus, nicht wahr?«
    Sie hob eine Hand und streichelte Aryn über die Wange. Aryn schloss die Augen; seltsamerweise war es eine tröstende Geste.
    »Sia segne Euch«, murmelte ihr eine Stimme ins Ohr.
    Die Wärme an ihrer Wange verschwand. Aryn öffnete die Augen und entdeckte, dass die Hexe bereits weiterging.
    »Aber wie ist Euer Name?«, fragte sie beinahe schon gedankenverloren und leise, weil sie sich nicht zu rufen traute. Trotzdem erhielt sie eine Antwort, die in ihrem Geist wisperte.
    Ihr dürft mich Schwester Mirda nennen.
    Dann verschwand die andere in der Menge. Bevor Aryn noch weiter über sie nachdenken konnte, kam Bewegung in die Hexen. Aus den Schatten traten drei Gestalten auf die Tribüne: Eine trug Weiß, eine trug Jadegrün und die Dritte trug Grau.
    »Ich bin Ihr Morgen«, sagte die Frau in Weiß. Es war Cirynn. Aber sie schien jetzt ernster, ausgeglichener und nicht so stolz zu sein. Vielleicht hatte Aryn sie ja falsch eingeschätzt.
    »Ich bin Ihr Tag«, sagte die Frau in Grün, und Aryn traute ihren Augen nicht, denn erst jetzt erkannte sie, dass es sich um Königin Ivalaine handelte, majestätischer als je zuvor.
    »Und ich«, krächzte eine raue Stimme, »bin Ihr Zwielicht.«
    Die Greisin in Grau, mit der Aryn vorhin gesprochen hatte, bewegte sich mühsam an den Platz neben Ivalaine und Cirynn. Aryn fragte sich, wie sie wohl hieß.
    Man nennt sie Senrael, sagte eine lautlose Stimme in Aryns Bewusstsein. Sie wird bei diesem Großen Hexenzirkel die Greisin sein, so wie Ivalaine die Mutter und Cirynn die Jungfrau verkörpert.
    Aryn sah sich suchend um und entdeckte Lirith nicht weit zu ihrer Linken. Sie wollte ihr eine Antwort schicken, aber sie hatte keine Ahnung, wie sie das anstellen sollte. Aber Lirith schien ihre Fragen zu erahnen.
    Sie hat drei Gesichter, und diese drei Frauen symbolisieren sie. So ist es schon immer gewesen.
    Aryn wollte mehr wissen, aber Ivalaine ergriff auf der Tribüne wieder das Wort, die anmutigen Arme weit ausgebreitet.
    »In Ihrem Namen soll der Kreis für geschlossen und dieser Hexenzirkel für eröffnet erklärt werden.«
    Nach diesen Worten verspürte Aryn ein Kribbeln. Dem scharfen Luftholen aller um sie herum Stehenden nach zu urteilen, fühlten die anderen es auch. Macht lag in der Luft.
    »Wessen Namen meint Ihr, Mutter?«, rief da eine Stimme.
    Sämtliche Köpfe drehten sich und suchten nach der Sprecherin. Dann entdeckte Aryn sie, sie stand fast in der Mitte der Versammlung, in der Nähe der Tribüne. Sie war nur schwer zu erkennen, weil sie Aryn hauptsächlich den Rücken zuwandte, aber sie war hoch gewachsen und nahm eine stolze Haltung ein. Ihr Haar war wie Flachs, in dem Flammen züngelten, es war zu einer hohen Frisur aufgetürmt, und an Hals und Handgelenken trug sie viel Gold – der einzige Schmuck, den Aryn bei den Hexen entdecken konnte.
    »Was wollt Ihr damit sagen, Schwester Liendra?«, sagte Ivalaine, als wäre diese Unterbrechung ein Teil der Zeremonie.
    Die Hexe, die das Wort ergriffen hatte, trat vor. Ihre Stimme war klar und so scharf wie Glas. »Ihr

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