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Die letzte Rune 05 - Der Tod der Götter

Titel: Die letzte Rune 05 - Der Tod der Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Mark
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war so dunkel wie die Schatten, ihre Augen blaue Edelsteine, ihre Haut so glatt wie Elfenbein. Und doch gab es gewaltige Unterschiede zwischen ihnen beiden, denn die andere Frau hielt sich aufrecht und stolz, sie betrachtete ihre Umgebung voller Selbstbewusstsein – und vor der weißen Brust waren zwei wohlgestaltete Arme verschränkt.
    »Wer ist sie?«
    Die junge Frau mit den braunen Augen lachte; es war ein spöttischer Laut. »Was denn, wisst Ihr denn gar nichts? Cirynn wird die Jungfrau dieses Hexenzirkels sein.«
    Die Jungfrau?, wollte Aryn fragen. Doch in diesem Moment hallte ein heller Laut durch den Garten. Drei der jüngsten Hexen standen auf den Stufen zur Tribüne; jede von ihnen hielt eine Silberglocke von anderer Größe. Drei unterschiedliche Töne verschmolzen und ließen die Nachtluft vibrieren.
    Als die Laute verklangen, verließen die Mädchen die Tribüne und kehrten zu ihrer Gruppe zurück. Offensichtlich sollte die erste Zusammenkunft des Zirkels beginnen, denn andere Hexen eilten durch die Versammlung auf dem Weg zu ihren Positionen.
    »Entschuldige, Kleines«, sagte da eine brüchige Stimme. »Diese alten Knochen sind spitz, und ich möchte dich nicht damit stechen.«
    Überrascht drehte sich Aryn um und entdeckte eine gekrümmte Gestalt. Sie erkannte die uralte Hexe wieder, der sie die Spinnweben überlassen hatte. Die Greisin sah genau wie damals aus, ein kahl werdender Kopf, Hände so knorrig wie Äste, rot umringte Augen, die wie helle Knöpfe aus einer Faltenmasse funkelten. Nur trug sie jetzt ein aschgraues Gewand. Wieder erkannte Aryn ihre Arbeit. Das war das graue Festgewand, das Lirith und sie mitgeholfen hatten zu nähen.
    »Was ist denn, Kleines? Du siehst aus, als hättest du einen Vogel im Mund, der herausfliegen will.«
    Aryn erinnerte sich an ihre Manieren. »Es tut mir Leid«, stieß sie hervor. »Bitte, geht an mir vorbei.«
    Die Greisin grinste, zeigte einen zahnlosen Kiefer und humpelte vorbei, um in einem Schatten in der Nähe der Tribüne zu verschwinden. Die Hexe mit den braunen Augen schüttelte sich.
    »Sie ist einfach nur schrecklich.« Die junge Frau schaute zur linken Seite des Hains. »Sie sind alle schrecklich.«
    Aryn zuckte mit den Schultern. »Sie sind bloß alt. Wir alle werden eines Tages so alt sein, wenn wir das Glück haben, so lange zu leben.«
    Die andere verzog das Gesicht zu einer übertriebenen Grimasse. »Ich will nie so lange leben, wenn es bedeutet, dann so aussehen zu müssen. Ich weiß nicht, warum wir ihnen erlauben herzukommen. Wenn sich keiner um sie kümmert, murmeln sie bloß ununterbrochen über Sia und die gute alte Zeit.«
    »Aber jeder sollte sich um sie kümmern«, sagte Aryn. »Sie mögen nicht mehr jung sein, aber sie sind weise. Und Schönheit ist nicht alles.«
    Die Augen der jungen Frau verengten sich zu Schlitzen. »Mir war klar, dass jemand wie Ihr so etwas sagen würde.«
    Aryns Wangen brannten. Sie wollte etwas erwidern, aber bevor sie dazu kam, rannte die Frau mit den braunen Augen aus ihrer Gruppe und eilte zu den jungen Frauen, die sich um Cirynn drängten. Sie flüsterte Cirynn etwas ins Ohr, und Aryn spürte den Blick blauer Augen auf sich ruhen. Cirynn lächelte, dann verdrehte sie den rechten Arm in eine unnatürliche Position und zog ihn zur Hälfte in den Ärmel ihres weißen Kleides, während sie die Finger nach innen krümmte. Ihre Anhängerinnen schlugen die Hände vor den Mund, versagten aber jämmerlich dabei, ihr Gelächter zu unterdrücken.
    Aryn starrte sie weiter an, zu Eis erstarrt. Der Hain verdunkelte sich, das Gelächter der jungen Frauen verwandelte sich, wurde immer schriller und hallte in ihrem Verstand, bis es sich in etwas völlig anderes verwandelte – einen Kinderreim.
    Kleine Lady Aryn, was versteckt sie nur
unter ihrem blauen Kleidchen?
Einen toten Vogelflügel,
ein gar hässlich Ding.
Sie würde fortfliegen, hätt’ sie zwei davon.
    Haltet den Mund, wollte Aryn ihnen zurufen. Haltet alle den Mund! Aber ihre Stimme war zu leise, es war die Stimme eines kleinen Mädchens. Sie konnte nicht sprechen, und sie hatte keine Flügel, um von diesem Ort fortfliegen zu können. Sie konnte nur laufen – laufen und sich irgendwo verstecken, wo sie keiner finden würde.
    »Schwester, geht es Euch gut?«
    Aryn taumelte, dann berührte eine kühle Hand ihren guten Arm und stützte sie. Die Bilder der Vergangenheit verblassten, eine Gestalt nahm vor ihr Konturen an.
    Die Frau gehörte eindeutig zu den Hexen,

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