Die letzte Rune 05 - Der Tod der Götter
konnte Travis das Nummernschild erkennen: DRATEK 33.
»Sei kein Narr, Travis«, murmelte er leise vor sich hin. »Sie müssen einen multinationalen Konzern leiten. Nicht jeder ihrer Wagen kann auf der Suche nach dir und Grace sein.«
Mit einer, wie er hoffte, beiläufigen Bewegung wandte er sich von der Fensterscheibe ab und überquerte inmitten einer Traube von Fußgängern die Straße. Erst nachdem er einen halben Block zurückgelegt hatte, drehte er sich um und schaute zu der Kreuzung zurück. Die Ampel war umgesprungen, das Fahrzeug war nirgendwo in Sicht.
Travis steckte die Hände in die Taschen. Er wusste, er sollte eigentlich weitergehen; erst in ein paar Stunden musste er sich zur Nachtschicht im Krankenhaus einfinden. Aber er war das Herumgehen leid, das Suchen leid. Er kaufte bei einem Straßenhändler einen Becher Kaffee und sprang dann in den kostenlosen Shuttlebus zum Ende der Sixteenth Street. Er überquerte die Fußgängerbrücke hoch über den Eisenbahnschienen und ging dann zu einem grünen Park neben dem Platte River hinab. Er setzte sich auf eine Betontreppe und beobachtete, wie das Wasser des Platte River vorbeiströmte, so dünn und braun wie der Kaffee in seinem Pappbecher. Er trank einen Schluck. Es war kein Maddok, aber er spürte, wie das schwache Prickeln nervöser Energie durch seine Adern sickerte.
Er stellte den Becher auf die Stufe und zog dann unter seinem schwarzen T-Shirt ein kleines Knochenstück an einer Schnur hervor. Es schien so lange her und so weit entfernt zu sein – der Tag, an dem er den Knochen in der Nähe der halb verfallenen Festung Kelcior aus dem Beutel der Hexe Grisla gezogen hatte. Er konnte noch immer die krächzenden Worte der alten Vettel hören:
Ich hätte nicht gedacht, dass du diesen auswählst. Eine Linie für die Geburt, eine Linie für den Atem und die letzte für den Tod, der zu uns allen kommt.
Damals hatte er die Bedeutung der Rune nicht verstanden – zu Grislas großer Empörung. Erst später, als er in den gefrorenen Tiefen der Schattenkluft stand – als Beltan sterbend im blutgetränkten Schnee lag und das Runentor sich öffnete, um die Heere des Fahlen Königs auszuspeien –, war Travis ihr Sinngehalt endlich klar geworden. Es war Hoffnung. Solange es Leben gab, gab es stets Hoffnung.
Travis schloss die Hand um die Rune. Beltan hatte fast sein Leben gegeben, damit Travis diese Lektion lernen konnte. Travis würde ihn jetzt nicht im Stich lassen.
Wach auf, Beltan. Bitte. Du musst aufwachen, damit wir von hier verschwinden können.
Travis und Grace sprachen kaum noch darüber; das war überflüssig. Beiden war klar, dass sie Beltan aus dieser Stadt schaffen mussten, bevor Duratek sie fand. Er griff wieder nach seinem Kaffee, hielt aber inne, als ihm eine Reklametafel auf der anderen Seite des Flusses auffiel. Er hätte überrascht sein sollen, war es aber nicht. Sie waren überall, das wusste er jetzt.
Auf der Reklametafel lächelten ein Mann, eine Frau und ein Mädchen mit idiotischer Freude, während das Mädchen eine Taube in einen Himmel freiließ, der viel zu blau war, um schön zu sein. In diesem Himmel hing, scharf wie eine Sichel, ein übergroßer Halbmond, der zu dem großen D ihres Logos verschmolz. Duratek. Welten voller Möglichkeiten.
Travis zuckte zusammen. Er wusste nur allzu gut, was die Reklametafel in Wirklichkeit bedeutete. Einer ihrer Beauftragten hatte ihm erzählt, das Zusammentreffen von Eldh und der Erde sei unausweichlich und Durateks Mission sei es lediglich, die Zusammenkunft zu handhaben, dafür zu sorgen, dass sie auf die richtige Art und Weise ablief. Travis wusste, dass das gelogen war. Ihre wirkliche Aufgabe war es, Eldh vor allen anderen zu erreichen, seine Völker zu erobern, seine Flüsse zu verseuchen, die Bäume zu fällen und die Mineralien zu schürfen. Und Travis würde alles tun, was in seiner Macht stand, um zu verhindern, dass sie ihr Ziel erreichten.
Doch selbst falls – wenn – Beltan aufwachte … wie wollten sie ihn zurück nach Eldh schaffen? Die beiden Hälften der Silbermünze schienen nur in einer Richtung zu funktionieren: von Eldh zur Erde. Trotz der zahlreichen Experimente, die Grace und er durchgeführt hatten, schienen die Münzen auf der Erde keine Macht zu haben. Deshalb suchte er auch nach Bruder Cy.
»Wo bist du, Cy?«, murmelte er. »Was bist du?« Aber die Worte verloren sich in einem Windstoß.
Er ließ seinen Blick schweifen. Auf dem anderen Flussufer erhob sich
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