Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die letzte Rune 05 - Der Tod der Götter

Titel: Die letzte Rune 05 - Der Tod der Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Mark
Vom Netzwerk:
Straße entlang. Hoffnung brandete in ihm empor, und er drehte sich um. Im selben Augenblick blieb auch die Gestalt stehen und sah ihn an. Als Travis plötzlich begriff, gab er den Atem, den er in seinen Lungen als Geisel gehalten hatte, wieder frei.
    Travis ging zu dem Schaufenster. Selbst nach zwei Monaten erkannte er den Mann noch nicht, der sich auf der Glasoberfläche spiegelte. Er war groß und fast schlank, mit Schultern, die viel breiter waren, als es dem Bild entsprach, das Travis von sich hatte. Der andere war trotz des strahlenden Tages Ende September ganz in Schwarz gekleidet: Jeans, T-Shirt, Trenchcoat. Die Haut seiner Hände und des Gesichts war glatt und weiß wie Mehl, und seine Augen wurden von einer Sonnenbrille verborgen. Sein Kopf war glatt rasiert, und ein kurzer, rotbrauner Kinnbart umrahmte die ernste Linie seines Mundes.
    Du suchst schon so lange nach ihm, dass du allmählich schon aussiehst wie er. Wie Bruder Cy.
    Nicht, dass Travis eine große Wahl hatte, was sein Aussehen betraf. Seine Haut – in den heißen Flammen von Krondisar verbrannt und wieder geboren – war noch weich und äußerst empfindlich. Er war gezwungen, sie bedeckt zu halten und zu schützen; daher der schwarze Mantel aus dem Billigladen selbst an einem so schönen Tag wie diesem.
    Mit seinen Augen war es ähnlich. An dem Tag, an dem er und Grace zur Erde zurückgekehrt waren, hatte er herausgefunden, dass er seine Brille nicht mehr brauchte. Er konnte die Nickelbrille des alten Revolverhelden zwar noch tragen, aber durch die Gläser sah alles verzerrt und seltsam aus. Dieser Tage bewahrte er die Brille als Erinnerung an Jack Graystone in seiner Tasche auf – als brauche er neben der unsichtbaren Rune, die seine rechte Handfläche markierte, ein weiteres Andenken.
    Wie die Haut waren auch seine neuen Augen höchst reaktiv; helles Licht schmerzte, auch wenn er herausgefunden hatte, dass er des Nachts verblüffend gut sehen konnte. Er hatte für drei Scheine eine Panoramasonnenbrille von einem Straßenhändler gekauft und nahm sie von der Morgen- bis zur Abenddämmerung nie ab, und manchmal nicht einmal dann.
    Und was seinen glatt rasierten Kopf betraf – das war seine Entscheidung gewesen. Sein Haar hatte kurz nach ihrer Rückkehr wieder zu wachsen angefangen, und an den meisten Stellen seines Körpers war es so zurückgekehrt, wie er sich daran erinnerte, wenn auch etwas rötlicher. Doch die schockierenden, flammenfarbenen Locken, die auf seinem Scheitel gewachsen waren, hatten nichts mit seinem alten, sandbraunen Haar gemeinsam.
    Das war zu viel für Travis – eine zu starke Erinnerung daran, was ihm widerfahren war –, und so hatte er ein Rasiermesser genommen und es abrasiert. Zumindest war sein Schädel keine Mondlandschaft aus Gebirgskämmen und Kratern; das war ein Unterschied zwischen ihm und Bruder Cy.
    Der Backenbart war ein paar Wochen später gekommen. Er hatte nie zuvor in seinem Leben einen getragen, aber etwas sagte ihm, dass er auch diesen Körper nie zuvor getragen hatte, und so kam ihm die Veränderung angemessen vor. Und was die silbernen Ringe betraf, die an seinen beiden Ohren baumelten – nun ja, Travis war es nicht leicht gefallen, sie Grace zu erklären, als sie danach gefragt hatte.
    In einigen Stadtvierteln, in denen ich gesucht habe, starren die Leute einen an, wenn man kein Piercing hat, Grace.
    Sie hatte seine Erklärung akzeptiert, aber er war sich nicht sicher, ob er völlig ehrlich zu ihr gewesen war. Auch wenn er selbst nicht verstanden hatte, wieso er sich von dem muskulösen jungen Mann mit dem Nasenpiercing in dem Tattoo-Laden dazu hatte überreden lassen.
    Es spielt keine Rolle, ob du sie haben willst, Mann, hatte er gesagt und seine Hände über Travis’ glatt rasierten Kopf gleiten lassen. Du brauchst sie.
    Vielleicht hatte der Mann Recht gehabt. Der Stein des Feuers hatte Travis zerstört und dann neu geschmiedet. Und obwohl er noch immer ein Mensch war – weder ein Gott noch ein Monstrum –, war er nicht sicher, dass er noch derselbe Mensch wie zuvor war. Er trug noch immer Travis Wilders Namen. Er hatte noch immer seine Gedanken, seine Erinnerungen, seine Ängste. Und er hatte noch immer das magische Symbol, das tief in das Fleisch seiner rechten Handfläche gebrannt war. Trotzdem sagte sein Instinkt Travis, dass jedes Atom in seinem Körper völlig neu war. Dass er anders aussah, machte es irgendwie leichter, das Geheimnis dieser Veränderung zu ertragen.
    Als

Weitere Kostenlose Bücher