Die letzte Rune 05 - Der Tod der Götter
zuhören.«
Mitchell hielt das Gewehr fester. »Für Sie noch immer Mr. und Mr. Burke-Favor.«
»Zwei«, sagte Davis.
»Es ist nicht klug, uns …«
»Drei.«
In perfektem Einklang drückten zwei Finger ab, und zwei Donnerschläge ertönten. Die Männer in den dunklen Anzügen duckten sich, als Kugeln ein paar Zentimeter über ihren Köpfen hinwegflogen.
»Nur falls Sie es sich fragen sollten«, sagte Davis und grinste wieder über das ganze Gesicht, »wir haben keineswegs versucht, Sie zu treffen. Diesmal, Mitchell?«
Sie senkten ihre Waffen.
Die Männer in Schwarz wichen langsam zurück. Der Bleiche ballte eine Hand zur Faust, und sein Mund verzog sich zuckend zu einem Knoten der Wut. »Das werden Sie noch bedauern.«
Obwohl sein Magen sich zu einem Klumpen zusammengezogen hatte, grinste Mitchell genauso verrückt wie Davis.
»Einen Scheißdreck werde ich«, sagte er.
Diesmal jagten ihre Schüsse die beiden Männer in die Flucht. Sie rissen die Türen ihrer Geländewagen auf und zwängten sich hinein. Motoren dröhnten auf, und die beiden Fahrzeuge rasten die zerfurchte Straße entlang. Hinter ihnen stiegen Staubsäulen in den Himmel empor.
Mitchell senkte sein Gewehr. Davis sah ihn mit Augen an, die so klar und strahlend waren wie der Himmel des neuen Morgens.
»Ich mache Frühstück«, sagte Davis und ging ins Haus.
Als die Sonne endgültig aufgegangen war, waren auch die Hilfskräfte aufgetaucht und versammelten sich in der verwinkelten Küche des Hauses. Es waren heute nur drei – auch wenn es während des Abkalbens oder Ohr- und Brandmarkens schon mal ein volles Dutzend sein konnten. Davis brachte Schinken und Eier auf den Tisch, während Mitchell mehrere Töpfe heißen, starken Kaffees kochte. Gelegentlich scherzten einige Männer, echter Cowboykaffee würde aus Schlamm und Wasser gebraut und nicht aus Kaffeebohnen. Andererseits ließ sich jeder von ihnen mindestens dreimal nachschenken.
Während sie aßen, schaltete Davis ein kleines Fernsehgerät auf der Küchenzeile an, um sich den Wetterbericht der Morgennachrichten von Denver anzusehen. Mitchell hätte sich lieber KCCR angehört, den UKW-Lokalsender von Castle County. Er arbeitete dort einen Abend pro Woche freiwillig, las Nachrichten und Reklamespots örtlicher Firmen, nur um seine Stimme nicht außer Übung kommen zu lassen. Doch die Hilfskräfte schienen glühende Verehrer von Anna Ferarro zu sein, der rehäugigen Anchorfrau der Morgennachrichten von Channel 4, also lief der Fernseher. Während ihre Blicke nicht von der Frau wichen, sabberten sie in ihre Eier.
»Ich bin heute mit dem Spülen dran«, sagte Davis, als Mitchell die Bratpfanne ausscheuern wollte.
Mitchell wusste es besser, um darüber zu streiten. »Ich schicke die Jungs zum Zaun an der Nordgrenze.«
Die Hilfskräfte hatten ihren Kaffee getrunken und waren bereits vors Haus gegangen. Mitchell half ihnen dabei, das Zeug, das sie zum Reparieren des Zauns benötigten, auf den Pick-up zu packen, erklärte ihnen, an welchem Teil des Zauns sie anfangen sollten, und sagte, er würde später nachkommen. Er hätte mitfahren können, wollte heute aber lieber zum Zaun ausreiten. Manchmal vergaß er Autos, elektrische Werkzeuge, Hypotheken und Bilanzen ganz gern. Wenn Mitchell über die Ranch ritt und die Stromleitungen hinter ihm zurückblieben, konnte er sich mühelos vorstellen, das sei das Colorado des vergangenen Jahrhunderts. Der Wind und der Beifuß hatten sich nicht verändert.
Aber die Welt hatte sich verändert. Während das Leben vor hundert Jahren vielleicht nicht so kompliziert gewesen war, war es gleichzeitig auch härter gewesen. Was hätte die Welt damals für ihn und Davis bereitgehalten? Trotzdem vermittelte das Reiten ihm einen Eindruck von Frieden. Er schickte die Jungs auf den Weg, wandte sich dann um und ging ins Haus zurück, um sich einen Sonnenhut zu holen. Davis ließ ihn heutzutage nicht mehr ohne Sonnenschutz hinaus. Eine weitere Konzession an die modernen Zeiten, doch Krebs war in keinem Jahrhundert erfreulich gewesen.
Mitchell trat in den Hauptraum des Hauses. Durch die geöffnete Tür zur Küche hörte er das Scheppern von Geschirr und das leise Dröhnen des Fernsehgeräts. Er sah den Sonnenhut auf dem Sims über dem riesigen Sandsteinkamin. Der Kamin war jetzt dunkel und leer, aber der Winter würde nicht mehr lange auf sich warten lassen. Mitchell freute sich auf diese Tage, an denen es draußen nicht allzu viel Arbeit gab. Dann würde er vor
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