Die letzte Rune 05 - Der Tod der Götter
hatte. »Damals habe ich gerade eine Auszeit von den Suchern gemacht.«
Er lachte. Es war ein tiefer, hallender Laut, der Deirdre zutiefst überraschte. Farr war immer von unerschütterlicher Beherrschung gewesen, ganz egal, unter welchen Umständen auch immer; manchmal hatte er einen damit zur Weißglut bringen können. Sie hatte ihn nie zuvor einen Laut äußern hören, der einen Unterton von Verzweiflung hatte.
»Nein, Deirdre. Verstehen Sie denn nicht? Man kann von den Suchern keine Auszeit nehmen. Das ist kein Verein, bei dem man Mitglied wird, wenn einem danach ist. Es ist ein heiliger Bund der Ehe ohne jede Hoffnung auf Annullierung. Bis dass der Tod uns scheidet.« Er hob die Flasche und trank den Rest.
Deirdre sah ihm dabei zu. Seine Worte hatten es tatsächlich geschafft, sie zu beunruhigen. Warum waren die Philosophen dazu bereit, so viel Vertrauen in nur zwei Leute zu setzen, wo doch so viel auf dem Spiel stand? Sie begriff es nicht. Aber die Philosophen taten und sagten viel, was sie nicht verstehen konnte. Sie verfügten über ein Wissen und verfolgten Absichten, die dem Rest der Sucher unbekannt waren.
Hinter ihr gab der Computer beruhigende elektronische Laute von sich. Sie wandte sich wieder dem Tisch zu. Die Daten strömten nicht länger, der Abschlussbericht füllte den Schirm. Deirdre scrollte sich durch die Reihen mit Informationen. Dabei wuchs ihr Gefühl des Unbehagens.
»Das ergibt doch keinen Sinn«, murmelte sie.
Stoff raschelte. Farr.
»Was haben Sie da, Deirdre?« Seine Stimme war wieder leise und wohl überlegt; das war wieder der Hadrian, den sie kannte.
»Ich weiß es nicht«, sagte sie ehrlich. »Ich weiß es wirklich nicht.«
Sie hatte Farr ihre Begegnung mit Glinda in jener letzten Nacht in London verschwiegen. Es fiel ihr schon schwer genug, selbst zu verstehen, warum sie sich auf die Suche nach der Frau gemacht hatte, geschweige denn, es jemand anderem zu erklären. Deirdre war die Unterhaltung im Surrender Dorothy in Gedanken ein Dutzend Mal durchgegangen, aber sie wusste noch immer nicht, was sie zu bedeuten hatte. Allein Glindas Trauer war auf schmerzhafte Weise offensichtlich gewesen – so wie der kühle, grüne Wald, den Deirdre erblickt hatte, als sie sich küssten.
Der silberne Ring, den Glinda ihr bei ihrem Abschied gegeben hatte, war ein verblüffendes Artefakt; Deirdre hatte mehrere Suchoperationen in der Datenbank der Sucher durchgeführt, aber bis jetzt keine Übereinstimmung mit den auf der Innenseite des Rings eingravierten Symbolen gefunden. Auf Grund einer Eingebung hatte sie sogar überprüft, ob sie mit den Runen übereinstimmten, die von AU-3 stammten – den Runen auf Grace Becketts Halskette. Es gab keine Ähnlichkeiten. Die Schrift auf dem Ring war spinnwebartig und geschwungen, ganz und gar nicht wie die eckigen Runen der Welt Eldh.
Doch der Ring wies nicht nur Schriftzüge auf, um eine Geschichte zu erzählen. Deirdre hatte ihn in Plastik versiegelt und ihn mittels Kurier in die Laboratorien der Sucher schaffen lassen. Der Ring wies genug Hautpartikel auf, um eine DNA-Sequenz zu erstellen. Aber die Probe musste verunreinigt worden sein, denn der Bericht, den sie las, konnte nicht stimmen. Sie scrollte erneut zu den Worten am unteren Ende des Berichts zurück.
Analyse unterbrochen: Fehler – Mitochondriensequenz unvollständig – verunreinigte oder fehlende Daten in Probe. – Menschliche DNA unterbrochen durch zufällige Basenpaare.
Schlussfolgerung: Beendigung der phylogenetischen Analyse nicht möglich. – Probe weist keinen Bezug zu bekannten menschlichen Populationen auf.
Farr lehnte sich an den Tisch und beugte sich näher an den Computerbildschirm heran. »Was ist das, Deirdre?«
»Es ist eine DNA-Sequenz.«
»Das sehe ich selbst. Ich meine, wo haben Sie sie her?«
Deirdre schüttelte den Kopf. »Das spielt keine Rolle. Die Probe ist kontaminiert. Die Analyse ist wertlos.«
»Nein, das glaube ich nicht. Darf ich?«
Sie sah zu ihm hoch, verblüfft über die leise Intensität seiner Worte, aber bevor sie antworten konnte, nahm er den Computer und zog ihn zu sich heran.
»Sie sind mit dem Hauptsystem in London verbunden?«
Farr öffnete ein neues Fenster und tippte seinen Zugangscode ein. Ein Menü öffnete sich, das Deirdre noch nie zuvor gesehen hatte und dessen kryptische Optionen ihr Begriffsvermögen überstiegen. Farr wählte eine aus, und eine Dateienliste erschien. Er klickte sie an,
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