Die letzte Rune 05 - Der Tod der Götter
und Reihen kurzer, alternierender Balken füllten den Bildschirm. Eine andere DNA-Sequenz.
»Hier«, sagte Farr. »Sehen Sie.«
Er wies auf einen Teil der Sequenz. Deirdre zog den Computer wieder zu sich. Sie positionierte die Fenster nebeneinander. Sie verglich eine Reihe nach der anderen. Das Muster war identisch.
»Ich verstehe das nicht.« Ihr Atem ließ den Bildschirm beschlagen. »Wo haben Sie diese Probe her?«
»Ich habe sie nirgendwoher. Sie stammt von einem Relikt aus den Gewölben unter dem Mutterhaus in London. 1817 brachten die Sucher eine Kristallphiole in ihren Besitz, die angeblich das Blut der heiligen Johanna enthielt.«
»Die heilige Johanna?«
»Ja, Johanna von Orleans – das Mädchen, das die Franzosen in die Schlacht führte und als Ketzerin auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde. Laut dem in die Tage gekommenen Franziskanermönch, von dem man das Relikt besorgt hat, wurde das Blut von einem gläubigen Mönch eingesammelt, der es während Johannas Gefangenschaft aus ihren Wunden schöpfte und in der Kristallphiole aufbewahrte. Vor einigen Jahren besorgte ich mir von den Philosophen die Erlaubnis, die Phiole zu öffnen, und ließ von einer Probe des Blutes eine Sequenz anfertigen. Ich arbeitete an einer Studie über genetische Anomalien bei Individuen mit außerweltlichen Erfahrungen.«
»Wollen Sie behaupten, Johanna von Orleans hätte außerweltliche Verbindungen gehabt?«
Er zuckte mit den Schultern. »Sie hat mit Gott gesprochen, nicht wahr?«
Deirdre wusste nicht, was sie darauf antworten sollte. Aber wenn Farr Recht hatte, dann hatte das, was auch immer die heilige Johanna besessen und sie anderen Menschen entfremdet hatte, auch Glinda besessen. Und vielleicht ihr ungeborenes Kind. Deirdre schloss die Augen und stellte sich Glindas hübsches, zerbrechliches Gesicht vor.
Niemand weiß, wie, aber sie haben sich einen Reinblütigen besorgt. Jetzt brauchen sie keinen von uns mehr …
Aber was hatte das zu bedeuten? Von wem hatte Glinda gesprochen? Sie öffnete die Augen und wollte wieder nach dem Computer greifen, dann erstarrte sie, als ihr Blick auf die Titelseite der zerknitterten Times aus London fiel, die Farr bei seinem Eintreten auf den Tisch geworfen hatte. Ein Summen füllte ihre Ohren.
»Wo haben Sie diese Probe her, Deirdre?«, fragte Farr mit leiser, aufgeregter Stimme. »Ich hatte geglaubt, dass meine Analyse vor Jahren zu einem Ende gekommen wäre, aber wieder einmal haben Sie mir eine Tür geöffnet. Wir sollten sofort einen Sucher aussenden, der dieses Glinda-Objekt überwacht. Wo können wir sie finden?«
Deirdre befeuchtete sich die Lippen. »Sie werden sie nicht finden.«
»Was meinen Sie?«
Deirdre verstand ihn kaum. Es war erstaunlich, wie man den Verlust von etwas betrauern konnte, das man eigentlich niemals richtig besessen hatte. Sie las die Schlagzeile erneut:
FEUER IN BRIXTON BLEIBT EIN RÄTSEL
Zahl der Todesopfer nun bei 13
Sie berührte die Zeitung, strich mit der Hand über das Foto, das die ausgebrannten Ruinen mehrerer Ladenfassaden zeigte. Die Zerstörung war beinahe allumfassend gewesen. Druckerschwärze verschmierte unter ihrer Berührung wie eine Rauchwolke.
Hinter ihr ertönte ein leiser Fluch. »Es tut mir so Leid, Deirdre. Sieht so aus, als wäre uns da jemand zuvorgekommen.«
Ja, jemand. Aber wer? Bilder blitzten in Deirdres Verstand auf: ein weißer Blitz, eine leere Flasche. Sie besann sich auf die Geistesdisziplinen, die ihr Großvater, ein Schamane, ihr beigebracht hatte, und hieß ihre Trauer willkommen, dann legte sie sie beiseite, um sie später, wenn der richtige Zeitpunkt gekommen war, richtig auszuleben. Jetzt entfachte sie aus ihrer Wut ein Feuer. Es war Zeit, etwas zu unternehmen.
Sie klappte den Computer zu und stand auf, dann drehte sie sich um. Farr betrachtete sie mit einer Mischung aus Neugier und völliger Nüchternheit – und das, obwohl er getrunken hatte.
»Ja«, sagte er bloß.
»Warum finden wir nicht heraus, was unsere guten Freunde von der Duratek Corporation vorhaben?«
Er hob eine Braue. »Wollen Sie mir damit sagen, dass Sie wissen, wo sie das Objekt von AU-3 festhalten?«
Sie schnappte sich ihre schwarze Lederjacke von einem Stuhl und zog sie an. »Sagen wir, ich habe da eine Ahnung. Heute Morgen konnte ich einem ihrer Fahrzeuge ein gutes Stück folgen. Und falls sie ihr neues Firmenhauptquartier nicht in dem Gebäude neben der Hundefutterfabrik aufmachen, könnte ich mir vorstellen, dass wir da auf
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