Die letzte Rune 12 - Die letzte Schlacht
lasse ich Sie jetzt allein. Versuchen Sie bei der Arbeit nichts durcheinander zu bringen. Aber natürlich hat Sie das Konsortium ausreichend informiert, also wissen Sie, was Sie zu tun haben. Ich wohne nur eine halbe Meile weit weg, in dem weißen Haus am Anfang der Straße – Sie sind auf dem Hinweg daran vorbeigekommen. Falls Sie etwas benötigen, meine Nummer steht neben dem Telefon im Kutschenhaus. Sie finden Laternen und Streichhölzer auf dem Tisch an der Treppe. Seien Sie damit vorsichtig. Und achten Sie darauf, beim Gehen die Tür zu schließen. Und passen Sie auf die fünfte Stufe auf – die ist locker. Einen schönen Tag, Miss Falling Hawk.«
Eleanor verschwand aus der Tür und zog sie hinter sich zu. Deirdre stand wie erstarrt da und hörte eine Wagentür sich öffnen und schließen. Ein Motor brüllte auf und entfernte sich dann. Sie war allein. Allein in dem Haus, in dem Marius Lucius Albrecht gelebt hatte, bevor er sich den Suchern angeschlossen hatte, und wo sich seitdem nichts mehr verändert hatte.
Wieso hatte sie noch nie zuvor von diesem Ort gehört? Albrechts Lebenslauf hatte Madstone Hall nur beiläufig erwähnt. Doch dieses Herrenhaus war bestimmt eine Fundgrube für Informationen über den berühmten Sucher. Und offensichtlich wussten die Philosophen darüber Bescheid. Er musste dafür gesorgt haben, dass man ihr den Zutritt gewährte. Das alles trug das Zeichen ihres namenlosen Helfers.
»Was also wollen Sie, dass ich hier finde?«, sagte sie laut und sah sich um.
Aus den Schatten blickten ihr dunkle Gesichter entgegen: Porträts an den Wänden. Sie ging zu dem Tisch an der Treppe und zündete mit einiger Mühe eine der Laternen an. Kaltes Licht drang hervor und verdrängte das Halbdunkel weniger, als dass es es tiefer und geheimnisvoller machte.
Sie stieg die Treppe hinauf – achtete sorgfältig darauf, die fünfte Stufe zu meiden – und hielt die Laterne an jedes Porträt. Namenlose Männer, Frauen und Kinder, die alle die feinen Gewänder von Adligen trugen, blickten zurück.
Am Ende der Treppe befand sich ein lebensgroßes Porträt. Es zeigte einen in Schwarz gekleideten Mann. Dunkles Haar fiel über seine Schultern und rahmte ein bärtiges Gesicht ein, das eher grimmig als attraktiv war, wenn auch durchaus zwingend. Sie hob die Laterne höher. Die Augen der Gestalt schienen das goldene Licht zu reflektieren, als wären sie mit goldenen statt mit blauen oder braunen Pigmenten gemalt.
Deirdre erforschte die oberen Etagen, auch wenn sie kaum mehr als einen kurzen Blick in jeden Raum warf. Es waren hauptsächlich Schlafzimmer und Wohnzimmer, Räume, in denen die edlen Bewohner und Gäste des Herrenhauses ihre Freizeit verbracht hatten. Die oberste Etage enthielt schlichter eingerichtete Zimmer – zweifellos für die Dienerschaft.
Sie ging zurück nach unten und erforschte die große Eingangshalle, den Speisesaal, die riesige Küche und einen großen Saal, der einen spektakulären Blick auf einen fernen Hügel bot, der jetzt wolkenverhangen war. Überall fand sie angelaufene Kandelaber, Ludwig-XIV.-Stühle und chinesisches Porzellan.
Dieses Haus ist erstaunlich. Museen oder Sammler würden für einige dieser Stücke ein Vermögen bezahlen.
Aber sie standen hier seit Jahrhunderten, genauso, wie man sie zurückgelassen hatte. Laut der Zusammenfassung, die sie gelesen hatte, hatte Marius Lucius Albrecht bis etwa 1674 auf Madstone Hall gelebt, und Eleanor hatte behauptet, dass hier seit dem späten siebzehnten Jahrhundert nichts mehr verändert worden war.
Was bedeutet, dass alles noch so ist wie zu der Zeit, als Albrecht es verließ. Deirdre verspürte eine wachsende Aufregung. Tatsächlich ist es durchaus möglich, dass niemand mehr dieses Haus bewohnt hat, seit er gegangen ist.
Wieder fragte sie sich, warum die Sucher anscheinend nichts von diesem Ort wussten. Sicherlich gab es hier eine Vielzahl an Informationen, die ein Licht auf Albrecht werfen konnten, den größten Sucher in der Geschichte der Organisation. Warum sollten die Philosophen nicht wollen, dass die Sucher davon erfuhren?
Vielleicht aus dem gleichen Grund, aus dem jemand die Datei in dem Augenblick gelöscht hat, in dem du sie gefunden hast.
Sie öffnete eine Tür am Ende der Eingangshalle, dann blickte sie sich staunend um. Die Wände waren voller Regale mit in Leder eingebundenen Büchern. Über dem Kamin hing ein Schwert, das matt im Laternenlicht schimmerte. In einer Ecke stand ein riesiger Globus, die
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