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Die letzte Rune 12 - Die letzte Schlacht

Titel: Die letzte Rune 12 - Die letzte Schlacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Mark
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der Morgendämmerung der Geschichte primitive Menschen nach ihren primitiven Werkzeugen, um an der vulkanischen Klippe zu graben, an der man in einem späteren Zeitalter die Stadt erbauen sollte, um Kammern auszuhöhlen, in denen man geheime, blutige Riten abhalten konnte. Als ich sie kennen lernte, waren diese Höhlen uralt und riesig, und sie waren mit einer Dunkelheit gefüllt, die weit mehr als die Abwesenheit von Licht darstellte. Hatten sich die schönen Jungfern Hoffnung und Freude je an diesen Ort verirrt, so hatte man sie vergewaltigt und für tot liegen gelassen.
    Zwar stellten die Kammern unter Edinburgh das einzige Zuhause dar, das ich als Kind kannte, aber ich wurde dort nicht geboren. Genauso wenig wie mir meine Mutter je erzählte, was sie an diesen Ort verschlagen hatte.
    »Das ist eine finstere Geschichte, James, und hier unten ist es schon so finster wie in der Hölle«, pflegte sie zu murmeln. »Frag mich das nie wieder.«
    Aber schon als kleiner Junge hatte ich das Geschick, andere dazu zu bringen, mir ihre Geheimnisse zu verraten. Im Laufe der Jahre stocherte ich und drängelte, und wenn sie müde oder krank oder betrunken war – was häufig genug geschah –, ließ meine Mutter Dinge durchblicken, so dass ich mir die Geschichte irgendwann selbst zusammenreimen konnte.
    Es war keine komplizierte Geschichte. Ihre Jugend hatte sie bei ihrem Vater verbracht, einem ehemaligen Seemann, der einen Laden an der Candlemaker Row hatte. Ihre Mutter kannte sie nicht. Die Bewohner des Viertels behaupteten, dass ihr Vater bei der Rückkehr von seiner letzten Seereise ein Baby mitgebracht hatte, das in feinstes Silbertuch gehüllt gewesen war. Er behauptete, das Mädchen hieße Rose, und das war alles, was er sagte, wenn jemand nach der Herkunft des Kindes fragte.
    Als Rose siebzehn war, starb ihr Vater an der Fieberepidemie, die in diesem Winter Edinburgh heimsuchte. Einer seiner Cousins erbte den Laden, und da der Mann nichts für Mildtätigkeiten übrig hatte, musste Rose für sich selbst sorgen. Sie hielt es für einen Glücksfall, in dem Haus eines ehrbaren Richters eine Anstellung als Dienstmagd zu bekommen. Aber weder ihr Status als Magd noch die Ehrbarkeit des Richters währten lange. Auch wenn sie in meiner Erinnerung nur ein vorzeitig gealtertes, gekrümmtes Etwas ist, haben mir andere erzählt, dass meine Mutter in ihrer Jugend eine Schönheit war, mit rabenschwarzem Haar und meergrünen Augen. Kaum ein Jahr nach ihrer Ankunft im Haushalt des Richters gebar sie einen Sohn mit hellem blondem Haar – das den goldenen Locken ihres Herrn entsprach.
    Da sein Ehebruch ans Licht des Tages gebracht worden war, bereute der Richter prompt seine Sünden und verkündete, von der lieblichen jungen Dienstmagd verhext worden zu sein. Niemand bezweifelte das. Statt sich auf der Grassmarket Street wegen Hexerei am Galgen wiederzufinden, floh Rose mit ihrem Säugling in die Abwasserkanäle und fand ihren Weg in das Labyrinth unter der Stadt.
    Die Kammern wurden von Bettlern, Huren, Dieben und Mördern bevölkert, die genauso oft über jene herfielen, die dort unten hausten, wie über jene an der Oberfläche. Ich werde nie wissen, was Rose tat, um mit ihrem Kind zu überleben. Dieses Wissen konnte nicht einmal ich meiner Mutter entlocken. Sie lachte gackernd, wenn ich sie nach den ersten Tagen in der Dunkelheit befragte, dann weinte sie und zerrte an ihrem verfilzten Haar, und ihr Stöhnen und Murmeln ließ mich verstummen. Als ich älter wurde, hörte ich auf zu fragen.
    Eines Morgens – ich schätze, ich muss so zehn gewesen sein, auch wenn ich das damals noch nicht wusste – rüttelte ich an ihrer Schulter, um sie zu wecken, und sie regte sich nicht. Das geschah in der engen Nische, die unser Zuhause darstellte: eine in eine Tunnelwand gekratzte Höhle, die kaum groß genug war, dass wir beide uns hineinlegen konnten; der Tunnel führte, wenn man ihn hinaufging, zu einer Gosse in Covenant Close.
    Ich rüttelte sie hart und brüllte sie an, aber sie regte sich noch immer nicht, und ihre Kälte verriet mir, dass sie nicht einfach im Rausch lag. Ich starrte sie eine Zeit lang an, lauschte bösartigem Gelächter, das aus der Ferne des Ganges kam. Schließlich wühlte ich in unserer Nische herum und fand das letzte Stück Brot in unserem Besitz. Ich setzte mich mit untergeschlagenen Beinen hin und aß meinen Teil und ihren, danach plünderte ich ihre Leiche.
    Es gab nicht viel zu finden. Einen Halfpence, ein

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