Die letzte Schoepfung
folgsam. »Also gut, wenn du es für das Beste hältst.«
Nun flackerte Zweifel in seinen Augen. Sydney befürchtete, dass ihre Bereitwilligkeit unglaubwürdig wirkte. Gerade sie, das wusste Ethan genau, würde sich zu solch einem Irrsinn nicht hergeben.
»Gib mir ein paar Minuten, damit ich mich anziehen und einige Sacken packen kann«, sagte sie rasch.
Ethan nickte, wirkte jedoch nicht überzeugt. »Beeil dich.«
Sydney ging ins Schlafzimmer, doch als sie die Tür schließen wollte, packte Ethan die Klinke. »Lass die Tür auf!«
Sie starrte ihn wütend an und unterdrückte eine scharfe Erwiderung. Dann wandte sie sich ab, ging durchs Zimmer und suchte ihre Sachen zusammen. An der Tür zum Bad blickte sie sich nach ihm um. »Muss ich diese Tür auch offen lassen? Oder möchtest du lieber reinkommen und aufpassen, dass ich nicht durchs Fenster klettere?«
»Mach schnell, Sydney.« Er zog sich ins Wohnzimmer zurück, wo sie ihn mit gedämpfter Stimme zu den Kindern sprechen hörte.
Sydney schloss die Badezimmertür und machte die Augen zu. Sie spürte ihren heftig pochenden Puls und war ebenso wütend auf Ethan wie auf sich selbst. Das war nicht der Mann, den sie gekannt hatte. Er war völlig verändert, vielleicht nicht bei Sinnen, und auf jeden Fall gefährlich. Auch ihre Nachgiebigkeit war verrückt: Ethan war labil, und je eher sie ihn loswurde, desto besser.
Zuerst drehte Sydney den Wasserhahn voll auf, dann nahm sie das Handy aus der Tasche. In weniger als einer Minute hatte sie den notwendigen Anruf gemacht und bedauerte nur, dass sie es nicht schon getan hatte, bevor sie Ethan in die Wohnung ließ. Dann nahm sie sich Zeit zum Waschen und Anziehen, streifte eine Jeans und ein Stricktop über. Die Polizei würde bald kommen. Im Schlafzimmer steckte sie das Handy in ihre Handtasche, nahm ihre Kulturtasche und machte sich daran, Toilettensachen darin zu verstauen.
Da erschien Ethan in der Tür. »Komm schon, Sydney, du hast jetzt genug Zeit gehabt.«
»Gib mir bloß noch ein paar…«
Mit zwei schnellen Schritten war er bei ihr. Eine Hand ergriff ihren Arm, während die andere ihre Jacke, die Handtasche und die halb volle Kulturtasche packte. »Wir müssen weg. Sofort!«
Er zerrte sie ins Wohnzimmer. »Nimm deine Hände weg!«, rief Sydney und riss sich von ihm los. Ihre gespielte Gelassenheit war dahin. »Ich hab doch gesagt, dass ich mitkomme. Du brauchst mich nicht rauszuzerren!«
»Du willst doch nur Zeit gewinnen.« Er drückte ihr die Jacke in die Hände, und Sydney zog sie an. Das weiche Leder erinnerte sie daran, dass Ethan ihr diese Jacke zum dritten Hochzeitstag geschenkt hatte. Papier, Baumwolle, Leder, Obst, Holz und Süßigkeiten: die traditionellen Geschenke für jedes der ersten sechs Ehejahre, und er hatte kein einziges versäumt. Ein wahrer Romantiker – zumindest hatte Sydney das gedacht, bis er sie im Stich ließ.
»Ich musste doch bloß meine Sachen packen.« Es fiel ihr schwer, ihre Wut nicht durchklingen zu lassen.
Ethan schaute sie so forschend an wie früher, wenn er versucht hatte, die Bedeutung ihrer Worte zu ergründen, dann machte er eine Bewegung zu den Kindern. »Kommt, wir machen uns vom Acker, ob mit oder ohne Dr. Decker.«
Ein lautes Klopfen an der Tür ließ sie alle erstarren.
Ethan schaute Sydney an, ein zorniges Funken in den Augen. »Wen hast du angerufen?«
Mit erhobenen Händen wich sie vor ihm zurück. »Es ist in Ordnung, Ethan, sie wollen doch nur helfen. Dir geht es nicht gut.«
»Mist.« Er rieb sich die Wange. »Danny, geh mit deiner Schwester über die Hintertreppe raus, und wartet unten, so lange ihr könnt. Wenn es zu gefährlich wird, macht euch schnell davon. Geht zu den Dallas Morning News und erzählt denen eure Geschichte. Verstanden?«
Danny nickte, nahm Callie bei der Hand und ging mit ihr Richtung Küche.
»Nein, wartet!« Sydney stellte sich ihnen in den Weg. »Ihr könnt doch nicht einfach alleine los.«
»Dr. Decker.« Eine dröhnende Stimme im Korridor. »Polizei. Öffnen Sie die Tür!«
Die Kinder schlüpften an Sydney vorbei.
»Wartet«, sagte sie, doch die Kinder liefen weiter.
Da Sydney sie nicht aufhalten konnte, wollte sie zur Wohnungstür, doch Ethan hielt sie fest. »Sie können dich nicht beschützen, Sydney.«
Sie sah ihm in die Augen, und es war, als stünde die Zeit still. Früher wäre sie diesem Mann bis in die Hölle und zurück gefolgt. Nun konnte sie es nicht mehr, ohne seine Worte infrage zu stellen. Und doch
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