Die letzte Schoepfung
hatten einige Stockwerke hinter sich gebracht, als Sydney plötzlich das Blut sah. »Du bist getroffen!« Sie wollte in ihrer kopflosen Flucht innehalten und einen genaueren Blick auf Ethans Arm werfen.
»Nur ein Kratzer.« Er zog sie weiter.
»Du könntest ernsthaft verletzt…«
»Später!« Sie hatten fast den Fuß der Treppe erreicht, wo Danny und Callie auf sie warteten. »In den Wagen, los!«, befahl Ethan.
Der Junge rannte durch die Tür, womit er einen durchdringenden Alarmton auslöste, der schon bald weitere Gesetzeshüter auf den Plan rufen würde.
Ethan schob Sydney durch die Tür und über den Parkplatz. Es dämmerte bereits. Die Kinder kletterten in den alten Pick-up, dann zwängte auch Sydney sich hinein. Ethan setzte sich neben sie und ließ den Motor an. Als er den Gang einlegte und mit kreischenden Reifen losjagte, hörte Sydney die Polizeisirenen in der Ferne und fragte sich, wann sie aus dem Albtraum erwachen würde.
7.
Ethan steuerte mit der linken Hand und hielt mit der anderen seine Glock im Schoß. Sydney, deren Anspannung er deutlich spürte, saß neben ihn gezwängt. Die Kinder drängten sich zwischen Sydney und der Beifahrertür. Die Furcht auf den jungen Gesichtern war so beredt, als hätten sie vor Angst geweint.
Was hatte er getan?
Weil er in Sydneys Apartment geplatzt war ohne einen anderen Plan, als sie da rauszubringen, wäre sie beinahe getötet worden, und er hatte eine Kugel abbekommen. Nun, da Ethan sich allmählich beruhigte, wurde ihm das gezackte Loch in seinem Arm nur zu deutlich bewusst. Die Kugel hatte am rechten Oberarm den Bizeps durchschlagen; nun war die Stelle ein einziger, weiß glühender Schmerz. Warmes Blut tränkte seinen Ärmel, und der nasse Stoff klebte unangenehm auf der Haut. Der Arm wurde bereits steif. Bevor er ihn gar nicht mehr bewegen konnte, musste er Sydney und die Kinder in Sicherheit bringen.
Verdammt. Er wünschte, es wäre später am Morgen. In einer Stunde würden die Straßen von Dallas im morgendlichen Stoßverkehr ersticken, dann konnte man sich leichter darunter mischen und verschwinden. Doch jetzt boten die wenigen Fahrzeuge auf den Straßen kaum Deckung.
Ethan blickte in den Innenspiegel, prägte sich die Wagen hinter ihnen ein und wandte sich dann seinen drei Mitfahrern zu. »Ist auch keinem was passiert?«
»Mir nicht«, sagte Callie.
»Danny?«
»Mir geht's super, Mann.«
Ethan schluckte seinen Zorn über die Schnoddrigkeit des Jungen hinunter. Nach allem, was geschehen war, konnte er Danny nicht dafür tadeln, dass er wütend war. Danny verteidigte seine kleine Schwester wie ein Löwe, und Ethan hatte beide Kinder durch die Fahrt nach Dallas in große Gefahr gebracht.
»Wie steht's mit dir, Sydney?« Er warf einen Blick auf die Frau neben ihm, wagte es aber nicht, sie länger als eine Sekunde anzuschauen. Als sie keine Antwort gab, riskierte er einen zweiten Blick.
Sydney schaute ihm kurz in die Augen, senkte den Blick dann auf seinen Arm. »Du musst ins Krankenhaus.«
Ethan konzentrierte sich auf die Straße, wütend auf sich selbst, weil er sich einen Moment von ihr hatte ablenken lassen. Eine solche Unachtsamkeit konnte für sie beide den Tod bedeuten. »Ist nicht so wild.«
»Du wurdest angeschossen.« Sie betonte jedes Wort, als wollte sie ihm etwas mitteilen, das er noch nicht wusste. »Und es blutet stark.«
»Wir haben einen Erste-Hilfe-Kasten«, meldete Callie sich zu Wort, beugte sich zu einem Rucksack zu ihren Füßen und holte eine weiße Blechkiste mit einem roten Kreuz auf dem Deckel heraus.
»Ist doch nur ein Kratzer«, beschwichtigte Ethan, während Sydney in den spärlichen Utensilien wühlte. »Wir müssen uns um Wichtigeres kümmern.« Er schaute auf die Verkehrsschilder, suchte nach der Autobahnauffahrt. Es war lange her, seit er in Dallas gewesen war, vieles hatte sich verändert. »Wir müssen aus der Stadt raus.«
»Es ist eine Schusswunde, Ethan, nicht bloß ein Kratzer.« Sydney fand eine Packung steriler Polster und riss sie auf. »Callie, reiß bitte zwei Handbreit von dem Verbandsmull ab, und schneide ihn in Streifen.«
»Hör doch auf damit!«, stieß Ethan hervor. Sie hatten jetzt keine Zeit für so was. »Ihr könnt euch später darum kümmern.«
Sydney zog den Stoff von seinem Arm, riss dann den Ärmel zwischen Ellbogen und Schulter in einer einzigen schnellen Bewegung auf und drückte den Verbandsmull auf das zerfetzte Fleisch. Sofort schoss ein stechender Schmerz bis hinauf in
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