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Die Letzte Spur

Die Letzte Spur

Titel: Die Letzte Spur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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und dass sie sich in der Zeitung wiederfinden würde, und sie würde kaum das Risiko eingehen, in Langbury zu sitzen, bis Pit seinen Weg dorthin gefunden hatte. Wahrscheinlich hoffte sie aus tiefstem Herzen, dass er die entsprechende Meldung nicht las oder sie zumindest auf dem Foto nicht erkannte, aber sie würde sich auf diese Möglichkeit kaum verlassen. Sie wusste zu gut, was sie erwartete, wenn er ihr erst einmal gegenüberstand.
    Sicher hatte sie dem Dorf schon jetzt den Rücken gekehrt.
    Nur – wohin war sie gegangen?
    Wenn er nicht wahllos in Northumberland herumsuchen wollte – ohne sicher sein zu können, dass sie sich in der Grafschaft überhaupt noch aufhielt –, musste er die einzigen Anhaltspunkte nutzen, die er hatte. Das waren dieser Marc Reeve und seine tapfere Streiterin Rosanna Hamilton. Reeve war Anwalt in London, es würde ein Leichtes sein, ihn ausfindig zu machen. Vielleicht würde sich darüber eine Möglichkeit ergeben. Am Ende hatten er und die Hamilton seine Pamela sogar im Schlepptau.
    Er trank den letzten Schluck Kaffee, faltete die Zeitung zusammen und schob sie in die Innentasche seiner Jacke. Er fühlte sich von frischen Kräften durchströmt und guten Mutes. Durch Rons Verhaftung hatte der Tag beschissen angefangen, aber jetzt war ein Licht am Ende des Tunnels aufgetaucht.
    Leise vor sich hin pfeifend, verließ er den Coffee-Shop und fädelte sich wieder in den Menschenstrom des frühmorgendlichen London.
    Während er versuchte. Reeve ausfindig zu machen, würde er sich nebenher ausmalen, was er mit Pamela anstellte, wenn er sie erst hatte.
    Das Leben konnte so amüsant sein!
     
    2
     
    Während Marc Kaffee kochte, sah sich Rosanna unauffällig ein wenig in seiner Wohnung um. Zwei Zimmer, eine Küchenzeile, ein Bad – mehr gab es nicht, aber das war vermutlich auch ausreichend für einen Mann, der allein lebte und mindestens zwölf Stunden am Tag in seinem Büro verbrachte. Im Wohnzimmer hing ein Aquarell an der Wand, das ein Segelschiff vor einer steinernen Hafenmauer zeigte. Am rechten unteren Rand entdeckte Rosanna die Buchstaben J.R. Jacqueline Reeve. Ihr fiel ein, was Mrs. Hall, die einstige Nachbarin der Reeves, erzählt hatte: dass Jacqueline eine talentierte und bekannte Malerin war. Das Bild war sehr schön, aber auch sehr düster. Seltsam, dass Marc ein Bild, das seine Exfrau gemalt hatte, so exponiert aufhängte, aber das zeigte wohl nur, dass er in der Lage war, über den Dingen zu stehen. Zudem hatte sie nicht den Eindruck gehabt, dass Hass oder auch nur Abneigung in seiner Stimme schwangen, als er über Jacqueline und ihrer beider gescheiterte Ehe sprach. Eher Traurigkeit. Es schien ihm nicht um Schuldzuweisungen zu gehen. Vielleicht war das einmal so gewesen, aber er hatte dieses Stadium hinter sich gelassen. Trotz des Verlustes seines Sohnes – und sie hatte spüren können, wie tief dieser Stachel in ihm steckte und wie sehr er schmerzte – konnte er die Dinge sachlich und vernünftig einordnen.
    Bis auf das Bild gab es wenig Persönliches zu entdecken. Eher gar nichts. Keine Bücher, keine CDs. Keine gerahmten Fotografien oder irgendwelche Dekorationsstücke. Nicht einmal eine Pflanze auf dem Fensterbrett. Typisch vielleicht für einen Mann, der den Beruf zu seinem Lebensmittelpunkt gemacht hatte. Ob er irgendwo ein Bild seines Kindes stehen hatte? Vielleicht im Schlafzimmer. Rosanna konnte nur durch die halb geöffnete Tür in diesen Raum spähen, hineinzugehen traute sie sich nicht. Sie sah ein Doppelbett, über das ein wenig achtlos und verrutscht eine dunkelgraue Tagesdecke gebreitet war, und daneben einen Stapel Zeitungen auf dem Fußboden. Mehr vermochte sie nicht zu erkennen.
    Sie hatten die völlig apathische Pamela Luke auf das Sofa gesetzt, wo sie in genau der Haltung verharrte, in der sie platziert worden war. Rosanna musste an ein verletztes Kätzchen denken, das sie einmal gefunden und mit nach Hause genommen hatte. Das Tier war so elend und erschöpft gewesen, dass es immer in exakt der Position verblieb, in der es Rosanna absetzte. Die Energie, auch nur eine Pfote um einen Millimeter zu bewegen, hatte es nicht mehr gehabt. Trotz aller Bemühungen war es schließlich gestorben.
    Auf der nächtlichen Fahrt nach London hatte Pamela kein Wort mehr gesprochen, und Rosanna hatte schließlich die Fragen nach Elaines Reisepass aufgegeben und auf einen späteren, günstigeren Zeitpunkt gehofft. Pamela hatte nur noch eine einzige, heftige Reaktion

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