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Die Letzte Spur

Die Letzte Spur

Titel: Die Letzte Spur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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Jahre, die vergangen waren. Trotz der miserablen technischen Qualität des Bildes.
    Und obwohl die Frau auf dem Foto einiges versucht hatte, ihr Aussehen zu verändern. Ihre Haare waren dunkel, nicht mehr blond; einst taillenlang, waren sie jetzt zu einem kurzen Pagenkopf geschnitten. Einfache Kleidung, kein Make-up, soweit sich das beurteilen ließ. Jedenfalls war sie das Gegenteil von einem Vamp. Sie sah eher aus wie eine biedere Hausfrau aus irgendeiner mittelenglischen Kleinstadt. Nur dass sie trauriger schien, als es Hausfrauen üblicherweise waren, trostlos und angstvoll.
    Und dazu, dachte er, hat sie verdammt jeden Grund.
    Es war Pamela. Hundertprozentig sicher seine Pamela. Nie würde er diesen großen, vollen Mund vergessen. Diese absolut perfekt geformte Nase. Sie war eine Schönheit gewesen. Und sie konnte es wieder sein, wenn sie aufhörte, sich in diese Unscheinbarkeit zu verkriechen.
    Komisch. Er hatte immer gewusst, dass er sie eines Tages finden würde. Dass er sie nun sogar in einer der größten Tageszeitungen Englands präsentiert bekam…
    Aufmerksam las er den kurzen Artikel und wunderte sich ein wenig. Offensichtlich gab sich Pamela als Elaine Dawson aus und lebte in einem winzigen Dorf namens Langbury in Northumberland.
    Northumberland! Dieser fleischgewordene Männertraum dort oben im Norden, im hintersten Winkel der Welt … unfassbar!
    Wenn er den Text richtig verstand, war eine Frau namens Elaine Dawson vor fünf Jahren unter mysteriösen Umständen verschwunden, und der Mann, der mit ihrem Verschwinden in einen Zusammenhang gebracht wurde, jedwede Verantwortung jedoch bestritt, hatte nun geglaubt, sie aufgrund eines Hinweises aus der Bevölkerung in Langbury entdeckt zu haben. Was sich als Irrtum erwiesen hatte. Die Zeitung sprach von einer zufälligen Namensgleichheit.
    Pit grinste. Nein, der Fall lag anders, aber das wussten die Heinis von der Presse natürlich nicht. Pamela lebte ganz einfach unter falschem Namen.
    Der Typ, dem es so heftig um eine Aufklärung des Falls ging, ein Rechtsanwalt namens Marc Reeve aus London, wurde in seinen Bemühungen von einer Journalistin unterstützt, einer Rosanna Hamilton, die es sich, so der Mirror wörtlich, »zur Aufgabe gemacht hat, die Unschuld eines Mannes zu beweisen, dessen Leben seit Jahren unter dem Schatten eines hässlichen Verdachts steht – und der ihr wohl privat auch schon längst nicht mehr gleichgültig ist«. Der Mirror äußerte im Anschluss sehr subtil formuliert, aber zwischen den Zeilen durchaus erkennbar, dass Reeve und Hamilton möglicherweise gehofft hatten, die falsche Elaine Dawson als die richtige auszugeben, um ein für alle Mal klarzustellen, dass die Vermisste keineswegs einem Verbrechen zum Opfer gefallen war, sondern stillvergnügt im Norden Englands lebte. Dank der Wachsamkeit der Medien konnte dieses Vorhaben aber nun natürlich nicht gelingen.
    Gute Story, dachte Pit, möchte nur mal wissen, wie der Mirror Wind davon kriegen konnte. Egal. Was mache ich jetzt damit?
    Auf der Hand hätte es gelegen, sofort nach Langbury in Northumberland durchzustarten. Wenn er schon nicht in seine Wohnung konnte, wäre ein Trip hinauf bis fast nach Schottland nicht das Schlechteste, um die Zeit zu überbrücken. Und eine Sache zu Ende zu bringen, von der er stets gewusst hatte, dass er sie zu Ende bringen musste, wenn er nicht eines Tages mit einer offenen Rechnung sterben wollte.
    Was sie mit ihm gemacht hatte, hatte noch keine Frau gewagt. Sie musste begreifen, dass es ein Fehler gewesen war, ihn hinters Licht zu führen und dann der großen Blamage auszusetzen. Einem Mann wie ihm brannte keine Frau durch. Und wenn doch, dann bezahlte sie dies teuer. Was Pamela zweifellos bewusst war, daher die gefärbten Haare, der falsche Name, der abgelegene Ort und dieser angstvolle Blick, mit dem sie in die Kamera eines Reporters gestarrt hatte. Er grinste. So ein Pech für das arme Ding! Sie hatte sich so gut versteckt und sich wahrscheinlich schon recht sicher gefühlt. Aber dann war sie – durch ungünstige Zufälle vermutlich – mit dieser Jahre zurückliegenden Vermissten-Geschichte konfrontiert worden und nun in der Presse gelandet. Eine Randnotiz, die niemanden wirklich interessieren dürfte.
    Außer ihm. Und zwar brennend.
    Am liebsten wäre er sofort Richtung Norden losge-brettert, aber er zwang sich, erst einmal vernünftig zu überlegen. Pamela war ein Miststück, aber sie war nicht blöd. Sie wusste, dass sie aufgeflogen war

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