Die Letzte Spur
Schlaf! Sie sehen todmüde aus. Und Wavers ist nicht hier. Mit Sicherheit nicht!«
Sie schüttelte erneut den Kopf. Ihre Augen waren riesig und voller Furcht. »Ich habe ein ganz schlechtes Gefühl«, flüsterte sie.
Er merkte, dass er wütend wurde. Zum Teufel, natürlich konnte es ihm egal sein, sollte sie doch die Nacht über in diesem kalten Zimmer hocken, frieren und dabei die Wände anstarren. Aber dann wären am nächsten Tag ihre Nerven noch schlechter, und das würde auch er selbst auszubaden haben. Er fand sie anstrengend und hysterisch und fragte sich, weshalb er so blöd gewesen war, sich um diese Aufgabe hier förmlich zu reißen. Das Ganze war Rosannas Geschichte, nicht seine.
»Vielleicht sollten Sie mal versuchen, mit Ihrem schlechten Gefühl irgendwie fertigzuwerden«, sagte er gereizt, »anstatt es immer mehr zu kultivieren. Sie essen nichts, Sie wollen nicht schlafen, und dann wundern Sie sich, wenn Sie immer mehr durchdrehen!«
»Ich spüre, dass Pit …«, begann sie mit Tränen in den Augen, aber er unterbrach sie grob: »Ach, hören Sie doch auf mit Ihrem Gespür! Sie reden sich da etwas ein, und, ehrlich gesagt, langsam gehen Sie mir ungeheuer auf die Nerven!«
Er war laut geworden. Als er an ihr vorbei aus dem Zimmer gehen wollte, schrie sie auf und wich entsetzt vor ihm zurück.
Er blieb abrupt stehen.
»Pamela«, sagte er leise.
Sie gab einen Klagelaut von sich, der ihn an einen getretenen Hund oder ein misshandeltes Kind erinnerte.
»Pamela«, wiederholte er. Er streckte vorsichtig die Hand aus, zog sie aber wieder zurück. »Pamela, es tut mir leid. Ich wollte Sie nicht erschrecken. Was hat er denn nur mit Ihnen gemacht? Was hat er gemacht?«
Sie erwiderte nichts. In ihren Augen stand nackte Panik.
»Bitte, beruhigen Sie sich«, bat er.
Sie nickte. »Ich dachte …«, begann sie, sprach den Satz aber nicht zu Ende.
»Ich weiß, was Sie dachten«, sagte Cedric, »aber bitte, denken Sie das nie wieder.« Er strich ihr das wirre, kurze Haar aus der Stirn. »Es sind nicht alle Männer wie Pit Wavers«, sagte er.
Sie war ein Bündel aus Angst und Elend, und er begriff, dass sie jetzt keinesfalls würde einschlafen können.
»Wissen Sie, wir setzen uns beide jetzt noch ein wenig hier ins Wohnzimmer«, sagte er, »und ich durchstöbere die Küche, ob Mrs. Blum nicht irgendwo einen Schluck Alkohol versteckt hat. Ein Schnaps würde uns bestimmt guttun.«
Sie erwiderte nichts, aber er erkannte einen Ausdruck der Dankbarkeit in ihren Augen. Dankbar, weil er nicht darauf beharrte, dass sie schlafen ging. Dankbar, weil er sie nicht allein ließ.
Hoffnungsvoll begann er, einen Schrank nach dem anderen zu öffnen. Ein guter Schluck würde Pamela wieder ein wenig Farbe ins Gesicht zaubern.
Und sie ruhiger werden lassen.
Er wusste nicht, was ihn geweckt hatte. Ohnehin brauchte er einen Moment, um die Situation zu begreifen, in der er sich befand: Er lag in einem unbequemen Sessel in völliger Dunkelheit und eisiger Kälte, er fror bis auf die Knochen, und wegen seiner unbequemen Haltung taten ihm alle Glieder weh. Er wollte sich aufsetzen und unterdrückte gleich darauf einen Jammerlaut. Sein Nacken schmerzte.
Die ungewohnte Stellung und die Kälte hatten ihn in einen ziemlich desolaten Zustand gebracht.
Wieso brannte das Licht nicht mehr? Er und Pamela hatten hier zusammengesessen, jeder mit einem Glas in der Hand, in das er den Schnaps eingeschenkt hatte, den irgendein Feriengast in der Kochnische vergessen hatte. Sie hatten getrunken und sich ein wenig unterhalten, aber er erinnerte sich, dass er müder und müder geworden war, dass es ihn immer mehr Anstrengung gekostet hatte, die Augen offen zu halten. Irgendwann musste er eingeschlafen sein.
Sie ist ins Bett gegangen und hat das Licht ausgemacht, dachte er.
Er erhob sich, tastete nach der Stehlampe, die sich, wie er sich entsann, unmittelbar neben ihm befand. Er stieß dagegen, konnte sie gerade noch festhalten, ehe sie umfiel. Licht flammte auf. Er warf einen Blick auf die Gasheizung, die inzwischen nicht einmal mehr ächzte, geschweige denn heizte.
Morgen verlange ich einen Teil der Miete von der Alten zurück, dachte er wütend.
Er sah auf seine Uhr. Es war viel weniger Zeit vergangen, als er gedacht hatte, es war erst halb zwölf. Er hatte vielleicht eine halbe Stunde geschlafen.
Und in diesem Moment hörte er das Geräusch.
Er fragte sich später, ob es das gewesen war, was ihn geweckt hatte, aber die Antwort auf
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