Die Letzte Spur
auf in seinen brennenden Augen. »Ach? Es geht nicht um Männer? Dann schau dich doch mal an! Deine Aufmachung heute Abend ist eine einzige Aufforderung an jeden Mann, dir wesentlich näher zu kommen, als ihm das gegenüber einer verheirateten Frau eigentlich zusteht. Jedenfalls sobald du das unangenehme Gespräch mit deinem Ehemann hinter dich gebracht und ihn endlich wieder zu seiner Exfreundin und seinem Sohn zurückkomplimentiert hast. Mit viel Selbstfindungsgesülze und der Bitte, dir Zeit zu lassen. Zeit, die du zweifellos auf sehr angenehme Weise verbringen wirst, so viel ist klar.«
»Ich habe mit diesem Mann nicht geschlafen, und ich habe es auch nicht vor.«
»Deshalb hast du auch zehn Pfund Make-up im Gesicht und steckst in einem Kleid, in dem du ständig aufpassen musst, dass niemand deinen Schlüpfer sieht – falls du überhaupt einen trägst. Mich hast du nie in solch einer Aufmachung erwartet.«
»Weil du das nicht magst.«
»Sehr richtig«, sagte er heftig, »ich mag es nicht!« Er stand auf, stellte klirrend sein Glas ab, winkte nach dem Kellner, der in der Lobby bediente.
»Das übernehme ich«, sagte Rosanna und erhob sich ebenfalls, »ich wohne schließlich im Moment hier.«
Er schüttelte störrisch den Kopf. »Wenigstens zu einem Drink darf ich dich vielleicht einladen. Das verpflichtet dich zu nichts.«
Er sah so verletzt aus, dass sie hätte heulen mögen. »Ich würde gern Rob sehen«, sagte sie, »morgen vielleicht?«
»Ruf ihn an«, sagte er kurz angebunden.
Unschlüssig standen sie einander gegenüber. Dann war der Kellner bei ihnen, und Dennis bezahlte.
»Ja, ich rufe ihn an«, griff Rosanna seine Worte auf.
»Was macht eigentlich dein Auftrag?«, fragte Dennis. »Der Grund – oder sollte ich sagen: der vorgeschobene Grund –, warum du hier bist?«
»Alles verworren«, antwortete sie, ohne auf seinen provokanten Nebensatz einzugehen, »aber die Nebel lichten sich.« Trotz allem musste sie kurz an Cedric denken, der mit der verstörten Pamela in Cannington saß. Und an die Polizei, die mit Hochdruck nach Pit Wavers fahndete. Und plötzlich auch an Geoff, den verbitterten, rachsüchtigen Geoff in dem schrecklichen Heim in Taunton. Es war so viel geschehen in ihrem Leben in den letzten Tagen, viel mehr als in den vergangenen fünf Jahren zusammen.
Dennis gab ihr einen angedeuteten Kuss auf die Wange. Sie spürte seine Bartstoppeln. Dennis und Bartstoppeln! Es ging ihm wirklich schlecht.
Sie sah ihm nach, als er das Hotel verließ. Er hatte die Situation mit mehr Würde ertragen, als sie ihm zugetraut hatte.
Auf einmal hatte sie das Bedürfnis, in ihr Zimmer zu gehen und zu weinen.
Sie würde Marc heute nicht mehr anrufen. Es wäre ihr unpassend erschienen.
8
Es war kurz nach zweiundzwanzig Uhr, als Cedric und Pamela aufbrachen, um in ihr Apartment zurückzukehren. Sie hatten sich lange in einem Pub in Burnham aufgehalten, denn beide verspürten sie wenig Lust auf die eiskalten, lieblos eingerichteten Räume, die sie erwarteten. Es waren wenig Leute da gewesen, aber trotzdem hatte im Pub eine gemütliche Atmosphäre geherrscht. In einem großen, gemauerten Kamin brannte ein Feuer, und das Essen, das serviert wurde, schmeckte ausgezeichnet. Cedric hatte mit gutem Appetit gegessen, aber Pamela hatte nur auf ihrem Teller herumgestochert und schließlich seufzend die Gabel zur Seite gelegt.
»Es hat keinen Sinn. Ich bringe einfach nichts herunter.«
Er hatte mit Rosanna telefoniert und Pamela dann gleich von dem Gespräch erzählt: Malikowski verhaftet, die Fahndung nach Wavers lief. Die Tatsache, dass der die Ermittlungen leitende Beamte dringend mit Pamela sprechen wollte und dass sie am nächsten Tag in irgendeiner Weise mit Scotland Yard in Verbindung würden treten müssen, unterschlug er vorläufig. Es hatte Zeit, dies am nächsten Morgen anzusprechen. Er fürchtete, dass Pamela sofort wieder in Panik geraten und hysterisch werden würde, und er mochte sich den Abend nicht noch mehr verderben. Er fand es nicht schlecht, in Somerset zu sein, er freute sich, am nächsten Tag an den Strand zu gehen. Diese Reise, so seltsam die Umstände auch waren, unter denen sie verlief, stellte doch eine hübsche Abwechslung zu dem Londoner Hotel dar, in dem er die Tage verschlafen und die Nächte durchgesoffen und jeden Gedanken an seine Zukunft zu verdrängen versucht hatte, aber diese Frau ihm gegenüber verdarb ihm ein wenig die Laune. Spitz und bleich im Gesicht, dazu diese
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