Die Letzte Spur
diese Frage blieb für immer ungeklärt, und vielleicht war es auch unerheblich. Voller Grauen mutmaßte er in diesem Zusammenhang nur immer, was geschehen wäre, hätte ihn nicht irgendetwas aufgeweckt. Hätte er weiter tief schlafend in diesem Sessel gekauert … es war nicht auszudenken.
Das Geräusch kam von der Wohnungstür. Jemand machte sich an dem Schloss zu schaffen. Jemand, der die Außentür bereits hinter sich gelassen hatte und sich nun schon im Innern des Gebäudes befand.
Das Geräusch war im Grunde unzweideutig, trotzdem sagte er sich, dass er entweder unter einer Halluzination litt oder dass es zumindest eine sowohl logische als auch harmlose Erklärung für dieses Vorkommnis gab. Oder hatte er sich von Pamelas Hysterie bereits so weit anstecken lassen, dass er Dinge hörte und sah, die überhaupt nicht existierten?
Der Gedanke an Pamela brachte ihn auf eine andere Idee. Vielleicht war sie hinausgegangen, und die Tür war hinter ihr zugefallen? Sie bemühte sich nun, wieder hereinzukommen, ohne ihn zu stören. Absurd, dass sie dabei versuchen sollte, die Wohnungstür aufzubrechen, ebenso absurd die Vorstellung, dass sie überhaupt in dieser kalten, finsteren Nacht draußen herumlaufen sollte, aber sie erschien ihm ziemlich durchgedreht, und vielleicht folgte sie mit allem, was sie tat, einer eigenen, für andere nicht nachvollziehbaren Logik.
Er beschloss, nicht in der Mitte dieses Zimmers stehen zu bleiben und zu warten, was geschehen würde, sondern hinzugehen und die Wohnungstür zu öffnen. Verdammt, er lebte normalerweise mitten in Manhattan, ganz bestimmt nicht das sicherste Pflaster auf der Welt. Er würde sich in der abgeschiedenen Idylle Somersets von nichts und niemandem ins Bockshorn jagen lassen.
Er trat in den kleinen Vorraum und wollte mit zwei Schritten zur Tür, als ihn ein leises Zischen zurückhielt. Es kam aus dem Badezimmer, das gleich neben dem Wohnzimmer lag.
»Er ist da«, flüsterte eine Stimme.
Er spähte in den fensterlosen Raum. Es herrschte völlige Dunkelheit.
»Pamela?«, fragte er leise.
»Er ist an der Tür«, wisperte sie. Sie musste dort irgendwo in der Finsternis kauern, und er konnte sich vorstellen, dass sie wie Espenlaub zitterte. Offensichtlich hatte sie ebenfalls die Geräusche von der Tür gehört, in ihrer Panik alle Lichter gelöscht und sich im Bad verkrochen – der ungünstigste Raum, da es aus ihm keinerlei Entkommen gab.
Die Tatsache, dass sie sich dort befand, bedeutete aber noch etwas anderes, und bei dieser Erkenntnis wurde ihm nun doch mulmig zumute: Sie war es jedenfalls nicht, die sich an der Tür zu schaffen machte.
Aber wer, um Gottes willen, war es dann?
Für einen Moment wusste Cedric tatsächlich nicht, was er tun sollte. Er stand wie paralysiert, und es schoss ihm nur ein Gedanke durch seinen Kopf: Wie konnte ich so dumm sein! Ein derart abgeschiedenes Haus. Kein Handy-Netz, kein Telefonanschluss! Wie, um alles in der Welt, konnte ich nur …
Weiter kam er nicht. Die Tür ging auf, und Cedric wusste sofort, dass der Gnom mit dem irren Blick, der da auf der Schwelle stand, Pit Wavers sein musste.
Klein, brutal und geisteskrank. Und er hatte eine Waffe.
»Wo ist sie?«, fragte er.
»Ich weiß nicht, wen Sie meinen«, antwortete Cedric.
Pit Wavers hatte lang mit Pamela zusammengelebt. Und in den vergangenen fünf Jahren hatte er diese Frau ununterbrochen in seinem Kopf mit sich herumgetragen, sich mit ihr beschäftigt, war mit ihr schlafen gegangen und mit ihr aufgestanden. Er kannte sie in- und auswendig. Er kannte sie besser als sich selbst, denn sich selbst sah er sich vorsichtshalber nie so genau an.
Die Pistole auf Cedric gerichtet, schob er sich, halb rückwärts gewandt, in das Badezimmer und schaltete das Licht ein.
Cedric hörte Pamela aufschreien.
»Ich wusste es«, sagte Pit, »eine Ratte verkriecht sich immer dort, wo es am dunkelsten ist. Du hast dich nicht verändert, Pammy. Steh auf und komm her.«
Er lehnte im Türrahmen, die Waffe zielte unverwandt auf Cedrics Brust.
»Hören Sie …«, begann Cedric, ohne genau zu wissen, was er eigentlich sagen wollte. Ein kerniges Verlassen Sie sofort diese Wohnung? Lächerlich. Wavers saß am längeren Hebel. Warum sollte er irgendeiner Aufforderung Cedrics nachkommen? Sein Zeigefinger lag am Abzug. Er brauchte ihn nur ein wenig zu krümmen.
Cedric merkte, dass ihm der Schweiß ausbrach.
»Halt's Maul«, sagte Pit, »du bist später dran, du Wichser. «
Pamela
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