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Die Letzte Spur

Die Letzte Spur

Titel: Die Letzte Spur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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gesagt, den Mantel übersah ich. Er war vom Rücksitz in den Fußraum gerutscht.«
    »Weshalb hast du die Schleuse passiert? Das war doch ein völlig überflüssiges Risiko!«
    »Das war auch nicht geplant. Aber auf dem Fluss hatte ich ein Frachtschiff vor mir und in einiger Entfernung eines hinter mir. Ich konnte es nicht wagen, einen… größeren Gegenstand über Bord zu werfen, die Gefahr, dabei gesehen zu werden, war zu groß. Ich tuckerte immer weiter, verzweifelt hoffend, dass ich irgendwann der Umklammerung dieser beiden Schiffe würde entkommen können. Das war leider erst nach der Mapledurham-Schleuse der Fall. Ich konnte die Frachter abhängen und… zu Ende bringen, was ich mir vorgenommen hatte.«
    »Als du zurückkehrtest …«
    »… fand ich den Mantel und wusste, dass er ein Problem darstellte. Aber die Kraft, noch einmal auf den Fluss hinauszufahren, hätte ich nicht mehr gehabt. Außerdem wurde es immer heller, die Gefahr wuchs, dass irgendjemand im Club auftauchte. Also fuhr ich einfach los, und als ich an dem Parkplatz mit den Kleidercontainern vorbeikam, beschloss ich kurzerhand, den Mantel dort verschwinden zu lassen. Es war ein Risiko, aber andererseits sagte ich mir, wer sollte schon dieses Kleidungsstück mit Elaine in Verbindung bringen? Es war der durchschnittlichste, gewöhnlichste Mantel, den man sich denken kann. Er würde mit jeder Menge Pullovern und Hosen in diesem Container liegen und schließlich bei irgendeiner bedürftigen Familie landen. Tatsächlich hat es deswegen ja auch nie ein Problem gegeben. Wäre der Pass nicht in der Tasche gewesen …«
    Sie dachte, dass der schlimmste Schmerz in der augenblicklichen Situation darin bestand, sich klarmachen zu müssen, wie geschickt sich Marc ihr gegenüber immer wieder verstellt hatte. »Als wir nach Northumberland fuhren«, sagte sie, Bitterkeit in der Stimme, »und ich voller Hoffnung war, Elaine zu finden, glücklich über diese Möglichkeit auch deinetwegen, weil es dich endgültig von jedem Hauch eines Verdachts befreit hätte – da saßest du neben mir im Auto und wusstest die ganze Zeit, dass wir sie nicht antreffen würden. Es konnte ja gar nicht sein. Aber du hast so getan, als ob du …«
    »Wie hätte ich mich denn verhalten sollen? Hätte ich dir sagen sollen, Rosanna, die Fahrt können wir uns sparen, Elaine liegt auf dem Grund der Themse, und das weiß ich deshalb so genau, weil ich selbst sie dorthin gebracht habe? Ich konnte doch nur irgendwie mitspielen. Ich war ziemlich irritiert, auch angespannt, aber ich dachte an eine zufällige Namensgleichheit. Als dann diese Geschichte mit dem Pass aufkam, als du sagtest, es handele sich definitiv um Elaines Pass, da war ich wie vor den Kopf geschlagen. Ich überlegte verzweifelt, wie das geschehen sein konnte. Pamela Luke erzählte, sie habe das Papier in der Wohnung dieses Zuhälters gefunden, aber wie war es dorthin gekommen? Ich hatte ja gedacht, der Pass befinde sich in der Handtasche, aber selbst wenn man annahm, die Tasche habe sich irgendwie gelöst und sei ans Ufer geschwemmt worden, so hätte man das doch sehen müssen. So ein Ausweis liegt doch nicht wochen- oder monatelang im Wasser und sieht hinterher aus wie neu! Aber als dann Wiltonfield ins Spiel kam, war mir klar, was passiert sein musste. Und ich wusste in diesem Augenblick, dass es aus war.«
    Dennoch hatte er auch dann noch weitergespielt. Hatte sich ihre Theorien angehört, war besorgt und einfühlsam gewesen. Hatte sich um ihre Erkältung gekümmert und hatte sie in der vergangenen Nacht fest in den Armen gehalten. War das alles gespielt gewesen? Auch seine Gefühle? Hatte er ihr Liebe vorgeheuchelt, um sie emotional in den Griff zu bekommen? Um sie daran zu hindern, mit ihrem Wissen, hätte sie es erst einmal erlangt, schnurstracks zur Polizei zu laufen?
    Er fuhr fort: »Das Verrückte – oder Tragische – ist, meine damalige Situation wurde durch das ganze Vertuschungsmanöver auch nicht besser. Geoffrey Dawson inszenierte einen solchen Wirbel um seine Schwester, dass ihr Bild tatsächlich in der Presse landete. Ein paar Tage nach den Geschehnissen bekam ich einen Tipp von meiner Nachbarin. Eine sehr liebe Frau, die unter ihrem tyrannischen Ehemann leidet. Sie zischte mir über den Gartenzaun hinweg zu, ihr Mann werde zur Polizei gehen, weil er überzeugt sei, die verschwundene Frau aus der Zeitung mit mir zusammen gesehen zu haben. Da wusste ich, dass der Stein ins Rollen gekommen war. Als Nächstes

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