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Die Letzte Spur

Die Letzte Spur

Titel: Die Letzte Spur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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zu haben – wie sehr auch das Motiv, von ihrer eigenen Offenherzigkeit abzulenken, bei ihren unerwünschten Analysen und Ratschlägen eine Rolle gespielt haben mochte. Und vielleicht lag genau hier auch eine weitere zutreffende Antwort auf die Frage, weshalb Marc Elaine überhaupt mitgenommen hatte. Er hatte es immer mit seinem Mitleid erklärt, das er gegenüber einer offenkundig hoffnungslos verzweifelten jungen Frau empfunden hatte. Aber auch er mochte auf dem Flughafen Heathrow Angst gehabt haben vor der Vorstellung, allein in sein dunkles, leeres Haus zurückzukehren – allein mit der Erinnerung an Josh und mit den Gedanken an die bevorstehende Scheidung. Der Termin in Berlin hatte für ihn auch bedeutet, einer von ihm als quälend empfundenen Situation für ein oder zwei Tage zu entkommen. Darin urplötzlich gestoppt, mochte er in einer Geste der Hilfsbereitschaft durchaus einen Gewinn für sich selbst gesehen haben: Elaine war unattraktiv, verheult und nervend, aber sie lenkte ab, und das machte sie in einer einzigen, bestimmten Hinsicht wertvoll für ihn. Rosanna zweifelte nicht daran, dass er keine Sekunde lang eine schnelle Affäre vorgehabt hatte. Aber sie bei sich zu haben, sie reden zu lassen, hatte sein eigenes Grübeln wenn nicht verhindert, so doch gebremst. Leider hatte sie dann zu viel geredet. Und über das falsche Thema.
    Sie merkte, wie heiß ihr war, und öffnete die Wagentür. Die kühle Luft, die augenblicklich hereinströmte, legte sich besänftigend auf ihre brennenden Wangen. Sie stieg aus, ging um das Auto herum, versuchte zwischen Büschen und Bäumen hindurch hinunter zum Steg zu spähen. Sie konnte das Clubhaus sehen, das still und verlassen in der Sonne lag, und einige Schiffe, aber nicht die Heaven's Gate . Von der Stelle aus, an der sie sich befand, versperrte das Clubhaus den Blick zu ihrem Anlegeplatz.
    Wie lange brauchte Marc eigentlich, um dort alles in Ordnung zu bringen? Wie viel Zeit war überhaupt vergangen? Ein Blick auf die Uhr zeigte ihr, dass es fast zwölf war, aber das half ihr nicht weiter, weil sie nicht wusste, um wie viel Uhr sie unten angelegt hatten. Nach ihrem Gefühl meinte sie, dass mindestens fünf und vierzig Minuten vergangen waren, seitdem sie zum Auto zurückgegangen war. So lange konnte es kaum dauern, bis er die Abdeckplane an ihren alten Platz gebracht hatte, oder? Vielleicht kam er nicht zurecht. So erfahren er im Umgang mit Schiffen sein mochte, aber seine Nerven spielten sicherlich nun auch verrückt.
    Obwohl sie noch immer weiche Knie hatte, machte sie sich auf den Weg nach unten, um ihm zu helfen.
     
    Der Steg lag nun in vollem Sonnenschein. An Sommertagen musste es herrlich sein, hier zu sitzen und die Füße ins Wasser baumeln zu lassen. Dieser Gedanke ging Rosanna durch den Kopf, als sie bis ganz nach vorn lief. Ein schöner, ein romantischer Ort. Das Bild eines Mannes, der in den frühen Morgenstunden eines nebligen, dunklen Januartages die Leiche einer Frau hier entlangschleppte, mochte so gar nicht zu dieser stillen Idylle passen.
    Sie blieb vor der Heaven's Gate stehen. Sie hatte erwartet, Marc hier anzutreffen, entweder noch immer mit dem Schiff beschäftigt oder in sich zusammengesunken auf einer Bank sitzend, sein Leben, seine Zukunft überdenkend. Aber stattdessen war das Schiff völlig leer. Es war auch nicht abgedeckt worden. Es sah nicht anders aus als eine knappe Stunde zuvor, als sie es verlassen hatte.
    »Marc?«, rief sie. Ihr Stimme klang fremd und unwirklich in dieser Stille. Wie ein störender Laut. Etwas, das nicht hierherpasste.
    »Marc? Bist du da?« Sie versuchte, in die Kajüte zu spähen, aber es war zu dunkel hinter den Fenstern, sie konnte nichts erkennen. Sie zog das Schiff näher an den Steg heran und stieg hinüber. Es kostete sie einige Kraft, die Klappe, die den Niedergang verschloss, zu entfernen, aber endlich hatte sie es geschafft und kroch in den niedrigen Raum hinunter. Es roch feucht und muffig. Sie erkannte zwei einander gegenüberstehende Polsterbänke, einen Tisch, Fächer, die sich die Wände entlangzogen und mit vielerlei Krimskrams gefüllt waren – eine Flasche Sonnenöl, zwei Taschenbücher, eine Brille, ein paar Pennys. Nicht die Spur von Marc und auch kein Anzeichen, dass er hier unten gewesen war.
    Aber hier auf einer dieser Bänke, dachte sie plötzlich, hat wahrscheinlich der Leichnam von Elaine damals gelegen. Sicher hat er sie hier unten versteckt, alles andere wäre zu gefährlich

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