Die letzte Sünde: Kommissar Rosenthal ermittelt in Tel Aviv (German Edition)
bekommen.
»Ja, klar. Die Spurensicherung war ja auch schon längst da. Schlomo hat das alles erledigt.«
»Danke, Liat. Ich melde mich dann später bei dir. Ach, wo ist eigentlich Anat?«
Die Rechtsmedizinerin grinste ihn frech an. »Anati wird nicht begeistert sein, wenn du ihr den Fall wegschnappst ... Sie ist drinnen und spricht mit der Sekretärin. Viel Glück, Rosenthal.« Liat nahm ihren Koffer und gab den Leichenträgern ein Zeichen, die Tote auf die Trage zu heben.
»Ist sie Jüdin?«, fragte einer der Männer.
»Kein Ahnung, Mann, steht den Leuten ja nicht auf der Stirn. Und ihren Stern hatte sie wohl nicht dabei«, gab Liat pampig zurück. »In jedem Fall bringt ihr sie mir erst einmal in die Rechtsmedizin. Auf meinem Tisch ist es egal, ob ich eine Schickse oder eine Orthodoxe aufschneide. Und was ihr danach mit ihr macht, werden wir dann sehen.« Mit einem zischenden Laut drehte sie sich um und hastete den kleinen Weg mit großen Schritten zur Straße entlang.
Assaf sah ihr kurz nach und sagte dann, an seinen Kollegen gewandt: »Yossi, schau doch bitte mal in dem Parkplatzhäuschen nach, ob da jemand sitzt, und frag, wer gestern Abend Schicht hatte. Ich rede in der Zwischenzeit mit Anat Cohen.«
»Na, dann viel Glück und bis gleich«, antwortete Yossi ihm aufmunternd.
Die bunkerartige Tür zum Gebäude ließ sich nur schwer öffnen. Neben dem Eingang hing ein weißes Plastikschild,auf dem in lateinischen und hebräischen Buchstaben »Ulpan Yehuda« stand. Die kyrillischen Buchstaben konnte Assaf nicht entziffern, nahm aber an, dass sie das Gleiche aussagten. Die Ulpanim waren seit jeher ein wesentlicher Bestandteil bei der Integration der Einwanderer in die israelische Gesellschaft. Alle jüdischen Einwanderer, die sogenannten Olim, bekamen vom Staat ein Jahr kostenlosen Intensiv-Sprachunterricht. Die Neuankömmlinge sollten schnell die Sprache lernen und einen Job finden. Gleichzeitig brachte man ihnen in den Kursen die wesentlichen kulturellen Besonderheiten der israelischen Gesellschaft bei, auch Feiertage wurden erklärt. Mittlerweile gab es in Israel eine Menge nicht-jüdischer Einwanderer, vor allem hier in Tel Aviv, einer Stadt, die weltweit immer beliebter bei jungen Leuten wurde.
Als Assaf den langen, weiß gefliesten Gang betrat, von dem die einzelnen Klassenräume symmetrisch abgingen, entdeckte er Anat Cohen sofort. Sie sah besser aus, als er sie in Erinnerung gehabt hatte. Ihre braunen Haare waren hochgesteckt, und sie trug eine enge schwarze Jeans, die ihre schönen Beine betonte. Liat hatte ihm erzählt, dass Anats Mutter aus Island nach Israel eingewandert war. Von ihr hatte sie bestimmt die eisblauen Augen geerbt. Anats hübsches, blasses Gesicht verzog sich allerdings schnell, als sie Assaf erblickte.
»Was willst du denn hier?«, schnauzte sie ihn schon von weitem an.
»Anat, schön, dich zu sehen. Ich muss mit dir sprechen«, antwortete er freundlich, ungerührt von ihrem schroffen Ton.
»Assaf, was willst du hier? Das ist mein Fall.«
»Darum geht es. Wieler hat zig Mal versucht, dich anzurufen.«
»Nu? Ich habe mein Handy wohl nicht gehört. Immerhin stecke ich hier gerade mitten in einer Ermittlung.«
»Wie dem auch sei. Er wollte dir mitteilen, dass ich den Fall übernehmen soll. Tut mir leid, dass ich da jetzt bei dir so reinplatze.«
»What the fuck! Assaf, was soll das? Das ist mein Fall!« Ihre tiefe Stimme überschlug sich förmlich.
»Anat, wie gesagt, ich kann da auch nichts für. Kläre das bitte mit Wieler. Mir ist die Sache auch unangenehm.«
Anat schnaufte ihm verächtlich ins Gesicht. »Eh, ich kann nicht glauben, dass du mir hier den Fall wegnehmen willst. Das ist das Allerletzte, du Kollegenschwein.«
»Jetzt beruhige dich. Ich habe Wieler gesagt, dass ich das nicht in Ordnung finde. Aber ich habe bisher noch gar keinen Fall bearbeitet, und Wieler meinte, du hättest ohnehin mehr zu tun und müsstest entlastet werden.«
»Oh. Na, dann vielen Dank, ihr umsichtigen Männer, dass ihr die arme kleine Frau entlastet. Kotz. Ich muss würgen. Echt. Ihr Scheißmachos. Wieler bevorzugt dich doch nur, weil du ein Mann bist.«
Wie kam sie denn jetzt auf die Feministen-Schiene? Assaf sah sie erstaunt an. »Pass mal auf ...«
Sie ließ ihn nicht ausreden. »Mamasch Lo! Du passt mal auf. Ich rufe jetzt Wieler an und hol mir meinen Fall zurück.« Sie zerrte ihr Handy aus der Hosentasche und drückte energisch die Tasten.
»Anat. Jetzt warte doch mal
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