Die letzte Sünde: Kommissar Rosenthal ermittelt in Tel Aviv (German Edition)
viel trank und feierte, sowieso vorbei. Sein fünfunddreißigster Geburtstag lag vor ihm. »Werde endlich erwachsen, Abale«, pflegte sie ihm immer häufiger zu sagen und meinte damit: »Finde endlich eine Frau und heirate und schenk mir Enkelkinder.«
Assaf machte sich einen Kaffee und setzte sich, um richtig wach zu werden, auf die Terrasse. Der Plastikstuhl knirschte gefährlich unter ihm. Scheiß-Türkenware, schosses ihm durch den Kopf. Eigentlich hatte er die Stühle nicht kaufen wollen. Made in Turkey. Das waren jetzt Feinde. Aber bei hundert Schekel für vier Stühle konnte man seine Prinzipien schon mal außer Acht lassen. Obwohl er erst seit zwei Monaten in dem Apartment wohnte, hatte er bereits alles komplett eingerichtet. Seine Brüder hatten ihn mit verschiedenen Möbeln ausgestattet, die sie selbst nicht mehr gebrauchen konnten. Den Rest hatte er auf dem Flohmarkt in Jaffa erstanden. Die Frauen, die er gelegentlich mitbrachte, mochten es. »Eklektischer Style«, hatte eine neulich gehaucht, bevor er ihr den BH gekonnt mit einer Hand, ohne hinzuschauen, aufgeschnippt hatte.
Der Zeiger der Uhr im Wohnzimmer bewegte sich auf halb neun zu. Um neun hätte er eigentlich im Büro sein müssen – das würde wieder nichts werden. Ohne Frühstück konnte er unmöglich das Haus verlassen. Wer wusste schon, wie der Tag werden würde und wann er das nächste Mal etwas zwischen die Zähne bekäme. Immerhin regnete es nicht mehr, er konnte also mit dem Roller fahren. Natürlich könnte er als Kommissar auch einen Dienstwagen bekommen, aber bisher hatte er dieses Privileg noch nicht in Anspruch genommen. Die Straßen in Tel Aviv waren sowieso ständig verstopft, überall stockte und staute es, und ungeduldige Israelis hupten wie im Wahn. Der öffentliche Nahverkehr in Tel Aviv war für den ansonsten sehr umweltbewussten Assaf auch keine Alternative. Er verstand nicht, welche der tausend Busse wohin fuhren. Die ausgeblichenen Pläne, die auch nur an manchen Haltestellen an verrosteten Pfählen hingen, waren verwirrend und halfen niemandem. Blaue und rote Linien schienen wie in einem Labyrinth-Spiel aus dem Kreuzworträtselmagazin ins Nichtszu verlaufen. Endstationen waren auch nicht ausgeschrieben. Selbst wenn man den Namen der Station kannte, wusste man nicht, wann der Bus dort hielt. Der Busfahrer war ebenfalls keine Hilfe; Anzeigen gab es nur in den wenigen neueren Bussen. Und an den Haltestellen selbst hingen zwar allerlei Werbeplakate, halbnackte Frauen oder Bilderbuchfamilien, aber bestimmt keine Schilder mit Namensbezeichnungen. Kurzum: Als Assaf vor kurzem nach Tel Aviv gezogen war, hatte er sich sofort einen Roller zugelegt.
Assaf zerhackte schnell ein paar Zwiebeln und frische Petersilie und warf das Ganze zusammen mit ein paar Eiern in die Pfanne. Anschließend stopfte er das Omelette mit etwas Salat und Tomaten in eine Pita. Danach ließ er sich gebeugt auf den Teppich im Flur nieder. Wie ein Reptil schob er seinen Oberkörper nach vorne, um kurze Zeit später seine Arme von sich zu strecken, während sein Hinterteil in die Höhe schnellte. Er atmete tief durch die Nase ein und aus. Die Bewegungen wiederholte er mehrmals, bevor er schließlich, mit wie zum Gebet gefalteten Händen, kerzengrade im Flur stehend, die Prozedur beendete. Guten Morgen, Sonnengruß. Assaf verbog sich mit täglicher Regelmäßigkeit, in der Hoffnung, dass ihm die Verrenkungen Energie für den Tag geben würden. Gegen Kater half es bestimmt auch.
Um kurz nach neun schloss Assaf endlich die Tür seiner Wohnung im zweiten Stock ab und lief die Treppe hinunter. Ein paar Streicheleinheiten für die Katze, die jeden Morgen an seinem Roller wartete und die er manchmal fütterte, dann düste er los Richtung Süden der Stadt. Morgen für Morgen entlang der Strandpromenade. Diese quoll um dieZeit bereits vor Menschen über. Radfahrer und Mädchen, die dachten, dass sie vom schnellen Gehen abnehmen würden, huschten über das gemusterte Pflaster. Ab und zu war auch mal eine dabei, die den Sport gar nicht nötig hatte und wahrscheinlich nur ihr knackiges Hinterteil in den engen Leggins präsentieren wollte. Das sollte ihm recht sein. Doch für mehr blieb ihm jetzt keine Zeit, er steuerte den Roller Richtung Jaffa. Zum Polizeihauptquartier. Seit kurzer Zeit sein Arbeitsplatz. In den letzten Wochen eher Platz als Arbeit, denn viele ereignislose Tage lagen hinter ihm. Nicht, dass in der Stadt nicht gemordet wurde, aber Wieler, der alte
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