Die letzte Sünde: Kommissar Rosenthal ermittelt in Tel Aviv (German Edition)
eins in Dreiecks- und das dritte in Quaderform. Der Kommissar fuhr langsam weiter und erreichte die Feinstraße, ein halb zerfallenes Haus verdeckte nun die Sicht auf das moderne Tel Aviv. Vor dem Gebäude, in dem Moses Okoye lebte, standen ein paar Afrikaner. Einige hatten weiße Klappstühle in die Sonne getragen und zogen mit zusammengekniffenen Augen an der Wasserpfeife. Andere sahen ihn misstrauisch an.
Assaf lief an ihnen vorbei und betrat, ihre Blicke ignorierend, wie selbstverständlich das Wohnhaus. Er ging die Treppe hinauf und öffnete die Tür zu der Wohnung, in der sich nicht viel geändert hatte, seit er das erste Mal hier war. Große Augen starrten ihn aus allen Richtungen fragend an. Doch er ließ sich davon nicht stören, zielstrebig steuerte er auf das letzte Zimmer am Gang zu. Er klopfte zweimal, bevorer langsam die Türklinke herunterdrückte. Der Raum war leer.
»Wen suchst du?«, fragte ihn ein kräftiger Mann von hinten. Seine Haut war tiefschwarz.
»Wo ist Moses?«
Der Mann musterte ihn, als wolle er überprüfen, ob Assaf vertrauenswürdig war. Dann erklärte er: »Moses wurde abgeholt.«
»Abgeholt?«
»Ja.«
»Wer hat ihn abgeholt?«, fragte der Kommissar ungeduldig.
»Na, die Einwanderungspolizei. Sein Visum war abgelaufen. Und er hatte wohl Stress mit den Bullen wegen irgendeiner Nutte.«
»Und wo haben sie ihn hingebracht?«
»Was weiß ich. In den Abschiebeknast ...«
Assaf fasste sich mit der rechten Hand an die Stirn. Er setzte sich einen Moment auf das leere Bett, das verlassen in Moses Zimmer stand. Über dem Schreibtisch hing ein Poster der Red Hot Chili Peppers, das ihm beim ersten Mal gar nicht aufgefallen war. Der Afrikaner blieb unschlüssig in der Tür stehen und beobachtete ihn aufmerksam.
Dann, nachdem er ein paar Minuten wie in Schockstarre so verblieben war, stand Assaf auf und verließ ohne ein weiteres Wort die Wohnung. Er ging die Treppen herunter, lief an den Männern vor dem Haus vorbei, die sich lachend unterhielten. Den Roller ließ er stehen. Assaf lief einfach drauflos. Die Straße entlang. Weiter und weiter. Seine Schritte hallten durch die schmalen Gassen. Und die Sonne schien ihm ins Gesicht, als wäre dies der schönste Tag seines Lebens.
NACHWORT
Tel Aviv ist der Schauplatz meines Kriminalromans. Eine gefühlte Großstadt, in der streng genommen nur gut 400 000 Menschen wohnen, die dafür aber aus allen Teilen der Welt kommen. Tel Aviv, das bedeutet Frühlingshügel im Hebräischen und steht für den Anfang von etwas Neuem. In Israel kommt der Metropole dementsprechend auch eine besondere Bedeutung zu: Nicht selten wird abfällig von der »Blase« oder dem »Land Tel Aviv« gesprochen. Etwas Wahres ist dran, Tel Aviv ist anders als der Rest Israels: offener, moderner und mutiger. Gleichzeitig repräsentiert die Stadt mit seinen verschiedenen Vierteln, die wie unterschiedliche Welten nebeneinander liegen, doch auch gerade das Land Israel in seiner beeindruckenden, atemberaubenden Vielfalt. Und auch wenn man in den Straßen Tel Avivs Sprachen aus aller Herren Länder hören kann – hier lebten und leben einige der wichtigsten hebräischen Autoren, Dichter und Schriftsteller. Um diesem »hebräischen Gefühl« Ausdruck zu verleihen, habe ich immer wieder typische Ausdrücke der Umgangssprache in die Dialoge eingebaut. Dazu gehört auch, dass konsequent geduzt wird – im Hebräischen gibt es keine Höflichkeitsform.
DANKSAGUNG
Nahum, ohne Dich wäre dieses Buch nicht, was es ist. Und ich auch nicht. Danke für alles, ich liebe Dich.
Informationen zum Autor
KATHARINA HÖFTMANN, geboren 1984 in Rostock, hat Psychologie und Deutsch-Jüdische Geschichte in Berlin
studiert. Zurzeit lebt sie als freie Autorin und Journalistin in Tel Aviv und schreibt für deutsche und israelische Zeitungen. Sie veröffentlichte bisher
»Guten Morgen, Tel Aviv – Geschichten aus dem Holy Land«.
Informationen zum Buch
Die Sekretärin einer Sprachschule in Tel Aviv findet auf dem Hof eine weibliche Leiche, die mit einem Elektrokabel erdrosselt wurde. Die Tote wird von ihr als die Schülerin und Neueinwanderin Marina Koslovsky identifiziert. Assaf Rosenthal, neuer Kommissar bei der Tel Aviver Mordkommission und ehemaliger Armeeoffizier, beginnt zu ermitteln. Schnell konzentriert sich der Verdacht auf einen Afrikaner, der zuletzt mit der Toten gesehen worden ist. Doch dann stellt sich heraus, dass die Tote eine Prostituierte war – und plötzlich führen die
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