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Die letzte Visite

Die letzte Visite

Titel: Die letzte Visite Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Gruhl
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am Turm und an das Unberechenbare in den Frauen. Dann kam Petra
ganz leise.
    »Aber nur eine halbe Stunde«, sagte
sie.
    »Höchstens. Sei so gut und schließ ab.
Manchmal irren sich die Leute in der Tür.«
    Sie tat es. Sie wärmte mich so, wie es
nur eine Frau kann, und ich vergaß alles, die Morde, den Turm und den
vergangenen Tag.
    »Woran denkst du?« fragte sie.
    Ich schob meinen Arm unter ihrem Hals
durch und krabbelte in ihrem Haar.
    »An drei Dinge, mein gutes Kind.
Erstens daran, daß ich glücklich bin. Zweitens: Wie sind die gesetzlichen
Verhältnisse bezüglich der Steuer, wenn man die Ehefrau im eigenen
Röntgeninstitut als Assistentin beschäftigt? Das muß unbedingt geklärt werden. Und
schließlich bohrt die Frage in meinem Herzen, wie sich meine Hose auf das
Trinkwasser im Bassin auswirkt.«
    »Da ist noch eine Filteranlage drin,
habe ich gehört.«
    Wir lächelten uns an. Der Mond draußen
war jetzt heller. Der silbrige Schein streifte die Bettdecke und zauberte ein
helles Viereck an die Tür, genau in Höhe der Klinke und des Schlosses.
    Ich folgte dem Licht mit den Augen.
Dann merkte ich, wie ich steif und reglos wurde, und der Frost kam wieder.
Petra sah mich an.
    Ich zog sie etwas an mich und legte ihr
schnell meinen Zeigefinger vor den Mund. Dann deutete ich zur Tür.
    Petra wandte lautlos den Kopf. Wir
sahen es beide.
    Die Klinke war gebogen und aus Messing.
Ganz sacht, in kleinen, behutsamen Rucken bewegte sie sich nach unten. Jemand
wollte Besuch machen.
    Wir hörten unseren eigenen Atem nicht
und blickten gebannt auf die Klinke. Petra blieb ganz ruhig. Es war, als säßen
wir im Kino und verfolgten eine spannende Szene.
    In diesem Fall allerdings waren wir
unter den Hauptdarstellern.
    Die Klinke hatte den tiefsten Punkt
erreicht. Sie blieb dort für vier, fünf Sekunden. Ich spürte mit aller
Deutlichkeit, wie der Mörder die Tür nach innen drückte. Pech gehabt.
    Dann ging die Klinke nach oben,
unhörbar und gemächlich, wie sie sich gesenkt hatte. Sie blieb bewegungslos.
Der Mond war etwas weitergewandert.
    Ich legte meine Lippen an Petras Ohr.
    »Weißt du, daß ich dir heute zum
zweitenmal mein Dasein verdanke? Ich habe noch nie abgeschlossen. Ist heute die
erste Nacht, solange ich hier bin. Das war wieder der, der hinter mir her ist.«
    Sie wandte ganz langsam den Kopf. Sie
hauchte nur.
    »Wer?«
    »Wenn wir den Mumm gehabt hätten,
rauszusausen, wüßten wir es jetzt. Möchtest du?«
    Sie schüttelte den Kopf auf dem Kissen.
    »Mir ist es auch lieber so. Der Bursche
sitzt in der Klemme. Nervös geworden. Wie ich es mir gedacht habe.«
    Ich sah die Angst in ihren Augen durch
die Dunkelheit.
    »Aber morgen? Wenn er dich morgen...«
    »Morgen kommt Nogees«, sagte ich.
     
     
    Nogees kam um elf Uhr.
    Petra und ich hatten gearbeitet ohne
viel zu reden. Außer den Patienten war niemand in der Röntgenabteilung
erschienen. Ich war bei einer Lunge.
    Petras Stimme kam leise aus dem
Trichter.
    »Herr Doktor, Herr Kommissar Nogees ist
hier.«
    »Vielen Dank, Petra. Komme sofort.«
    Ich machte die Durchleuchtung fertig
und sprach den Befund ins Mikrophon. Ich behielt die Brille auf, weil noch ein
paar Leute da waren und ging hinaus.
    Nogees lehnte am Fensterbrett und sah
hinauf zum Turm.
    »Morgen, Herr Kommissar.«
    »Ah, guten Morgen.« Er wandte sich
rasch um. »Moment Zeit für mich?«
    »Sicher.«
    Wir setzten uns. Petra blieb im
Schaltraum und schloß die Tür.
    »Wann sind Sie ungefähr fertig?«
    »Wird nicht mehr lange dauern. Noch
drei Durchleuchtungen. Höchstens eine Viertelstunde.«
    »Ach, das ist schön. Ich wollte die
Damen und Herren der Ärzteschaft bitten, um zwölf Uhr mit mir auf den Turm zu
kommen.«
    Ich starrte durch meine Brille in sein
Gesicht.
    »Auf den Turm? Wollen Sie wieder ein
Experiment machen?«
    Er lächelte gutmütig. »So was
Ähnliches. Wird nicht lange dauern. Sie werden pünktlich zum Essen gehen
können.«
    »Das beruhigt mich sehr«, sagte ich.
»Ich bin um zwölf oben. Obwohl ich von meinem letzten Ausflug auf den Turm noch
ausreichend bedient bin.«
    »Ach ja, richtig. Haben Sie sich
erkältet?«
    »Das weiß ich noch nicht genau. Ich
habe das Leiden mit Grog bekämpft.«
    »Aha. Naturheilkunde. Sehr gut. Sie
waren mit Fräulein Doktor verabredet, um sich diese Fenster noch mal
anzusehen?«
    »Ja.«
    »Hm. Na, das können wir ja nachher auch
noch mal machen. Gut. Dann will ich Sie nicht länger aufhalten, Doktor Bold.«
    Ich rückte an der

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