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Die letzte Visite

Die letzte Visite

Titel: Die letzte Visite Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Gruhl
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selbst nach, ich merkte es nicht.
Ich fiel herunter auf den Boden, von Petra gehalten, sie hielt mich immer noch
fest. Ich küßte sie. Die Wärme ihrer Lippen reichte bis zu meinen Fußsohlen.
    »Verzeih, daß ich ohne Hose vor dir
sitze«, sagte ich. »Sie liegt im Bassin.«
    Sie strich über meine nassen Haare.
    »Du mußt runter«, sagte sie, »kannst
mir nachher erzählen, wie das passiert ist.«
    »Kann ich dir nachher erzählen«,
murmelte ich. ich hatte immer noch die kalte Mauer um mich herum. »Nachher.
Gehen
    wir.«
    Ich merkte nicht, wie ich den Weg zum
Haus hinunter kam. Petra sagte nichts und fragte nichts, sie hielt mich nur.
Ich spürte keine Steine unter meinen Füßen. Nichts spürte ich.
    Dann war ich in meinem Zimmer.
    »Zieh das Zeug aus«, sagte Petra, »wo
ist dein Bademantel?«
    »Im Schrank. Wirst du meinen Anblick
ertragen können?«
    »Ich hab’ schon ganz andere ertragen.«
    »Hoffentlich nur dienstlich.«
    »Teilweise.«
    Die Papiere sahen aus, als wären sie
mit einem Waffeleisen gebügelt.
    Mein Hemd und mein Unterzeug rochen nach
Bassin. Ich kroch in den Bademantel. Petra begann an mir herumzureiben wie eine
Masseuse in Tokio. Das Blut verteilte sich wieder in normale Verhältnisse, aber
noch lange liefen Schauer über meine Haut, und die Füße gehörten mir nur zur
Hälfte.
    »Hat uns eigentlich jemand gesehen?«
    »Soviel ich weiß, nicht. Am besten, du
gehst jetzt sofort ins Bett.«
    »Ich muß den Nogees anrufen, Kindchen«,
sagte ich. »Noch heute abend. Muß ihm Bescheid sagen. Wenn wieder etwas
passiert, und er hat nichts gewußt von meinem Badeurlaub, reißt er mir die
Eingeweide heraus. Ich zieh mir was an, und wir gehen runter in unser Büro.«
    »Schön, wenn du meinst. Außerdem kann
ich dir da einen Grog machen.«
    Ich blickte sie an wie eine
Erscheinung.
    »Grog?«
    »Hm. Hab’ eine Flasche Rum unten.«
    »Oh, ihr unsterblichen Götter!
Prophylaxe ist die Seele der Medizin! Her mit dem Hemd! Weißes Linnen für
meinen Leichnam.«
    Sie lächelte.
    »Du bist ja schon wieder ganz munter.
Ich geh voraus, ja.«
    »Tu das. Wärme den Kessel zur Weißglut.
Ich bin gleich unten.«
    Fünf Minuten später war ich fertig. Ich
hätte nie geglaubt, welche Wohltat trockene Wäsche sein konnte. Ich hatte ein
Flanellhemd an und einen Pullover. Heute abend war der Herbst vorverlegt.
    Der Kessel summte schon in unserer
Liliput-Teeküche, als ich herunterkam. Petra hatte sogar zwei zünftige
Grogbecher mit Glasstäbchen.
    »Man sollte öfter ins Wasser fallen.
Was ist denn das?«
    »Erkältungspillen«, sagte Petra. »Sind
prima. Nehme ich auch immer. Die wirst du zum Grog schlucken.«
    Ich widersprach nicht. Petra bohrte den
Korkenzieher in die Flasche. Es schnalzte lieblich, und der Schnupftabakduft
des Rums zog durch die Gegend. Das Wasser dampfte.
    »Los, hinunter damit! Vergiß die Pillen
nicht!«
    »Ich werde Blasen im Dünndarm kriegen«,
sagte ich. »Wenn ich an die Kälte denke, wird’s gehen.«
    Ich trank und erzählte Petra vom
Verlauf des Abends.
    »Ich hab’ dich raufgehen sehen von
meinem Zimmer aus«, sagte sie. »Aber oben auf der Zinne bist du nicht
erschienen. Es kam mir komisch vor. Dann habe ich nicht weiter darüber
nachgedacht. Na ja, und wie es so etwa zehn war, hatte ich Lust, noch mal
raufzuwandern — nur so. Ich hab’ nicht geglaubt, daß du noch oben bist. Ständig
habe ich den Weg nicht beobachtet.«
    »Klar«, brummte ich in mein Glas. Der
Rum zog als bräunliche Flamme durch meine Adern. »Hast du die Stagg raufgehen
sehen?«
    »Nein. Die habe ich den ganzen
Nachmittag noch nicht zu Gesicht bekommen.«
    Ich schluckte die dritte Pille und
spülte sie mit dem Grogrest hinunter.
    »Möchte wissen, was mit der passiert
ist. Bißchen spät, sie jetzt noch zu fragen. Machen wir’s morgen.« Ich stellte
das Glas hin und stand auf. »Vor dem nächsten Grog versuche ich’s mit Nogees.
Sonst riecht er durch den Draht, was los ist.«
    Ich ging in den Diktierraum zum
Apparat. Petra setzte sich neben mich. Ich hatte die Nummer des
Polizeipräsidiums, aber Nogees war nicht mehr da. Sie gaben mir seine
Privatnummer.
    Es tutete eine Weile, dann hob er ab.
    »Tut mir leid, Sie zu stören, Herr
Kommissar. Es war schon wieder was los.«
    »So?«
    Ich erzählte alles so kurz wie möglich.
Meine Stunde im Bassin kam knapper weg, als sie verdient hatte.
    »Ich wollte es sofort melden«, sagte
ich. Er hatte ohne ein Wort zugehört. »Ich weiß ja nicht, wann Sie

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