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Die letzte Visite

Die letzte Visite

Titel: Die letzte Visite Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Gruhl
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Brille.
    »Herr Kommissar, da wäre noch etwas.«
Ich sprach leiser. »Heute nacht, ich war zufällig wach und konnte es sehr
deutlich erkennen. Es war jemand an meiner Tür. Die Klinke ging herunter.«
    »Ach nein?«
    »Ja. Kein Irrtum.«
    »Und?«
    »Äh — nichts. Ich hatte abgeschlossen,
das kommt selten vor, muß ich ganz in Gedanken gemacht haben. Die Klinke wurde
wieder losgelassen, das war alles.«
    »Wäre es möglich — verzeihen Sie — ,
daß eine Dame nachsehen wollte, ob Sie auch richtig zugedeckt sind?«
    Mein Gesicht wurde etwas wärmer.
    »N-nein, das glaube ich nicht. Ich
wüßte keine, wissen Sie. Ich glaube eher, es war derjenige, der mir den Stoß
ins Kreuz gegeben hat.«
    »So. Wie spät war es?«
    »Kann ich nicht genau sagen. Muß aber
erheblich nach Mitternacht gewesen sein. Nach meinem Hallenbad war ich gleich
eingeschlafen.«
    »Verständlich.«
    Gut, daß Petra nicht zuhörte.
    »Ich muß bekennen, ich hatte keine
Neigung, rauszugehen und nachzugucken.«
    »Das war wohl auch besser«, sagte
Nogees mit Nachdruck. »Noch etwas?«
    »Sonst nichts.«
    »In Ordnung, Doktor. Dann erwarte ich
Sie um zwölf Uhr oben.«
    Er lächelte freundlich und ging hinaus.
Ich trat in den Schaltraum.
    »Wir können weitermachen, Madame.«
    »Wollte er etwas von dir?«
    »Nicht viel. Nur, daß ich um zwölf
wieder mal auf den Turm klimmen muß. Die anderen Akademiker auch. Du kannst von
hier aus zugucken.«
    Sie sah erstaunt aus, aber sie fragte
nicht weiter.
    »Ich hab’ ihm auch von der Klinke
erzählt. Aber nur von der Klinke.«
    Sie senkte die Augenlider und sah sehr
lieb aus.
    Ich schaute der Reihe nach durch die
drei Brustkörbe. Beim letzten machte Petra noch eine Aufnahme. Dann war Schluß.
Ich wusch mir langsam die Hände und überlegte, was Nogees auf dem Turm mit uns vorhaben
könnte. Was sollten wir dort? Warum nur wir? Die Lösung! Hoffentlich. Es
reichte mir jetzt langsam, restlos.
    Fünf vor zwölf zog ich meine Jacke an
und ging.
    Vor mir zwischen den Rasenflächen
marschierte Pinkus. Ich rief ihn an. Er wartete.
    »Auf, Kameraden der Berge! Solange ich
hier diene, bin ich noch niemals mittags auf dem Turm gewesen. Wen von uns wird
der Gute heute beim Wickel nehmen?«
    »Eigentlich müßte mal jemand anderes
dran sein«, antwortete ich. »Wir beide waren schon.«
    »Kann er das nicht auch unten machen?
Wozu braucht er die Höhenluft?«
    Ich ahnte etwas, aber ich sagte nichts
davon zu Pinkus.
    Wir kamen in den Wald. Hier war ich
gestern heruntergeschlichen, gestützt auf Petra und schlapp wie ein nasses
Handtuch.
    »Heute mittag gibt’s Krautwickel«,
sagte Pinkus. »Göttliches Gericht. Hoffentlich läßt er uns nicht erst zum
Abendbrot wieder herunter. Lieben Sie Krautwickel?«
    Ich hatte anderes im Sinn als
Krautwickel, aber ich gab zu, sie zu lieben, wenn sie im wesentlichen aus
Füllung beständen.
    Der Turm tauchte vor uns auf. An der
Treppe zur Plattform stand ein breiter Mann in Zivil.
    »Wird einer von Nogees’ Knappen sein,
was?«
    »Ohne Zweifel.«
    »Denkt der, einer von uns reißt aus?«
    »Vielleicht passiert es wirklich.«
    Wir gingen an dem Mann vorbei und
nickten ihm zu.
    »Mahlzeit«, sagte Pinkus. Auf der
Plattform warf ich einen Blick zu der Luke, die mich gestern so freundlich aufgenommen
hatte. Auf der Wendeltreppe hörten wir Stimmen von oben.
    Ich schob mich hinter Pinkus ins Freie
und sah die Stagg, Bierstein und Nogees. Wir waren komplett. Alles verstummte.
    Nogees lächelte friedlich im Kreis
herum.
    »Meine Herrschaften, ich hoffe, Sie
vergeben mir die Beschwernisse dieses Weges. Mir ist dieser Einfall erst heute
früh gekommen. Ich muß zu meiner Entlastung verraten, daß Doktor Bold
mitschuldig daran ist.«
    Alle Blicke wandten sich mir zu.
    »Doktor Bold rief mich gestern nacht
an. Er hatte nach neun Uhr abends ein Erlebnis — kein sehr lustiges. Er war
hier oben verabredet, aber er kam nicht bis hierher. Eine der Luken zum Bassin
stand offen. Doktor Bold wollte sie schließen. Dabei wurde er hinuntergestoßen,
ohne den Angreifer zu erkennen. War es so?«
    »Ja.«
    »Mensch, mach Witze!« rief Bierstein
verblüfft.
    »Doktor Bold schwamm eine Weile herum
und konnte sich dann an der Leiter festhalten. Seine Assistentin, Fräulein Rediess,
kam zufällig zum Turm. Bold konnte sich bemerkbar machen und mit ihrer Hilfe
wieder herauskommen.«
    Nogees steckte sich gemächlich eine
Zigarette an. Alle anderen hatten keine Lust zu rauchen, ich

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