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Die letzte Wahrheit: Roman (German Edition)

Die letzte Wahrheit: Roman (German Edition)

Titel: Die letzte Wahrheit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kimberly McCreight
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du mir im Ernst erzählen, dass du allein in einer Kneipe warst? Und einen wildfremden Typen aufgerissen hast? Ein Fehltritt, der das Beste war, was dir je im Leben passiert ist? « Amelia schüttelte den Kopf, dann schaute sie Kate endlich an. Ihre Augen waren voller Tränen. » Vergiss es, Mom. Das kauf ich dir nicht ab. Das passt nicht zu dir. «
    Kate hielt Amelias Blick einen Moment lang stand, dann ließ sie sich aufs Bett zurücksinken. Sie drehte sich auf die Seite und drückte das Gesicht ins Kissen, damit ihre Tochter ihre tränennassen Augen nicht sah.
    » Ich habe nie behauptet, dass es zu mir passt, Amelia. Das ist es ja gerade. Ich habe auch nie behauptet, dass es toll war. Damals habe ich eine Menge Dinge getan, die nicht gerade wohlüberlegt waren « , sagte sie leise und darauf bedacht, nichts zu sagen, was den Verdacht aufkommen lassen könnte, Amelia zu bekommen wäre ein Fehler gewesen. » Jedenfalls, wenn du Fragen zu deinem Vater hast, kannst du sie stellen. Ich habe dir immer gesagt, dass du mich alles fragen kannst, was du willst, Amelia. «
    » Und du sagst mir die Wahrheit? «
    » Ja, Amelia « , antwortete Kate, während ihr kleines, verlogenes Herz wie wild klopfte. » Ich sage dir die Wahrheit. «
    Und in dem Moment hatte Kate sich vorgenommen, ihr wirklich die Wahrheit zu sagen. Sie würde ihrer Tochter erzählen, wie sie gezeugt worden war, sie würde ihr erzählen, welche Fehler sie gemacht hatte und was sie getan hatte, um sie zu vertuschen. Denn Amelia hatte es verdient, die Wahrheit zu kennen. Sie hatte ein Recht auf ihre Geschichte, egal, was es Kate kostete. Nur nicht sofort. Kate brauchte Zeit, um sich darauf vorzubereiten.
    » Ich will ihn kennenlernen « , sagte Amelia.
    Kate hatte ihre Tochter angeblinzelt und versucht, ihre Gesichtszüge unter Kontrolle zu halten.
    » Einverstanden « , hatte sie schließlich gesagt. Und dann hatte sie doch wieder gelogen. » Wir können es versuchen. Aber ich– ich kann dir nicht versprechen, dass wir ihn finden. «
    Vier Tage später war Amelia tot. Kate glaubte nicht, dass die Fragen nach ihrem Vater etwas mit ihrem Tod zu tun hatten. Und ihren Vater nicht zu kennen, wäre für Amelia niemals ein Grund gewesen, sich das Leben zu nehmen. Trotzdem war es seltsam, dass es genau zur selben Zeit passiert war, als Amelia zu bohren angefangen hatte. Noch schlimmer war die Vorstellung, dass Amelia in der Überzeugung gestorben war, von ihrer Mutter belogen worden zu sein.
    Kate riss sich vom Fenster los und ging zu den Bücherregalen. Sie fuhr mit der Hand über die abgenutzten Buchrücken– Die Odyssee, Schall und Wahn, Lolita und natürlich alle Bücher von Virginia Woolf. Virginia Woolf– die Selbstmörderin par excellence– war die Lieblingsautorin ihrer Tochter gewesen. Die Parallelen waren Kate nicht entgangen, aber sie war auch davon überzeugt, dass Amelia es lächerlich gefunden hätte, ihre literarische Heldin auf diese Weise nachzuahmen.
    Sie ließ sich auf das Bett ihrer Tochter fallen und vergrub das Gesicht in den Händen. Sie saß immer noch so da, als sie hörte, wie die Zimmertür aufging. Einen Moment lang dachte sie, es wäre der Wind– bis sie eine große Hand sah, die die Tür aufdrückte. Ihr Instinkt sagte ihr, dass sie flüchten sollte, sich verstecken, unters Bett kriechen, aus dem Fenster springen…
    Doch sie konnte sich nicht rühren.
    » Wer ist da?! « , schrie sie so laut sie konnte. » Raus aus meinem Haus! «
    » Du bist doch hoffentlich nicht bewaffnet, oder? « , antwortete eine Stimme. Es war Seth’ Stimme.
    » Herrgott noch mal, Seth, wieso schleichst du dich ins Haus? «
    Langsam steckte Seth den Kopf zur Tür herein. Er schaute sie mit großen Augen an, die Hände hoch erhoben.
    » Ich hab geklingelt « , sagte er verlegen. Er schlurfte ins Zimmer in seiner Khakihose und dem hellen Hemd, der zurückhaltenden, unauffälligen Kleidung, die er, obwohl er inzwischen zum juristischen Berater von Senator Schumer aufgestiegen war, nach wie vor bevorzugte. Ein Stil, über den Thomas– Seth’ gutaussehender und äußerst modebewusster Lebensgefährte– wahrscheinlich hilflos die Augen verdrehte. » Du hast die Klingel nicht gehört, und die Haustür stand offen. Du solltest deine Tür wirklich besser abschließen. Sonst kann jeder Verrückte hier einfach so reinmarschieren. «
    » Ich weiß « , fauchte Kate. Ihr Herz klopfte immer noch wie wild.
    » Das war jetzt wirklich nicht nötig. «
    » Tut mir leid «

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