Die letzte Wahrheit: Roman (German Edition)
Vielleicht hatte es auch andere Mädchen vor mir gegeben. Das war eine Frage, die ich schon seit Wochen für mich behielt. Ich fürchtete mich vor der Antwort. Egal, wie sie ausfiel, es würde eine Enttäuschung sein. Aber ich hoffte trotzdem, dass Dylan irgendwann so weit sein würde, das mit uns nicht mehr geheim halten zu müssen. Ich wusste nicht, ob ich sie liebte, aber ich konnte nur noch an sie denken. Und wenn wir zusammen waren, dann hatte ich immer das Gefühl, mit etwas verbunden zu sein, das größer und besser war als ich. Das fühlte sich wie Liebe an.
Ich hätte so gern gehabt, dass Dylan blieb, dass wir uns was zu essen bestellten, als wären wir ein altes Ehepaar. Ich hätte sogar Kelsey anrufen und sagen können, ich wäre krank. So was machte ich nie. Das war verantwortungslos. Doch für Dylan würde ich es tun. Leider wusste ich, dass sie sowieso nicht bleiben würde. Dylan kam immer nur nach der Schule für eine Weile mit. Nach ein, zwei Stunden sagte sie dann, sie müsse nach Hause, zum Abendessen, Hausaufgaben machen, mit ihrer Mutter reden. Vielleicht stimmte das ja alles. Aber ich hatte immer das Gefühl, es waren lauter Vorwände.
Dylan betrachtete immer noch meine Bücher.
» Es ist okay, wenn sie alle dir gehören « , sagte sie. Ich war schon immer eine schlechte Lügnerin gewesen. » Ich find es cool, dass du so gerne liest. « Sie setzte sich neben mich auf die Bettkante. » Andere Leute stellen sich beim Lesen alles Mögliche vor. Bei denen im Kopf tun sich ganze Welten auf. Für mich sind es einfach nur Wörter auf Papier, mehr nicht. «
» Du stellst dir überhaupt nichts vor beim Lesen? « , fragte ich. » Das ist echt krass. «
Ich sah, wie Dylans Mundwinkel nach unten gingen. Krass. Warum hatte ich das gesagt? Als würde etwas mit ihr nicht stimmen.
» Ich meine, das ist cool « , fügte ich hinzu, aber es war zu spät.
» Ja, ja, was weiß ich, cool ist es jedenfalls nicht. Aber ich bin nicht wie du, Amelia. Ich bin anders als alle. « Sie sprang auf und schnappte sich ihre Jeans. Mit leerem Blick zwängte sie sich in die enge Hose. Wenn sie diesen Blick bekam, wusste ich jedes Mal, dass unser Date vorbei war. » Ich muss los « , sagte sie. » Heute kommt meine Mom im Fernsehen. Sie hat alle möglichen Freunde eingeladen, um sich die Episode mit ihnen gemeinsam anzusehen. Ich muss ihr bei den Vorbereitungen helfen. «
Sie redete wie ein Roboter.
» Klar. « Ich setzte mich auf und zog mir mein T-Shirt über. Dann lag mir die Frage wieder auf den Lippen, auf die es keine gute Antwort geben konnte. Doch diesmal konnte ich mich nicht beherrschen. » Bin ich eigentlich das erste Mädchen, mit dem du zusammen bist? «
» Was spielt das für eine Rolle? « Zumindest flippte sie nicht aus wegen der Frage. Ich hatte eher damit gerechnet, sie damit in die Flucht zu schlagen. » Ich bin mit dir zusammen, oder? «
Dylan zog sich die Jacke an, nahm ihre Tasche und löste ihren Haarknoten. Sie hatte mir mal erzählt, dass ihre Mutter es nicht ausstehen konnte, wenn sie sich das Haar hochsteckte. Sie fand, es würde ihr Kinn zu breit erscheinen lassen.
» Nein, du hast recht, es spielt keine Rolle. Aber bist du wirklich mit mir zusammen? « Ich fühlte mich beschissen. Es war ein Fehler, so mit ihr zu reden. Ich hätte einfach mit dem zufrieden sein sollen, was ich von ihr bekam. Doch es ging nicht. Ich konnte einfach nicht den Mund halten. » Weil es sich manchmal so anfühlt, als wolltest du eigentlich gar nicht mit mir zusammen sein. «
Dylan lächelte, und ihr Gesicht hellte sich wieder auf. Sie ließ sich schwungvoll aufs Bett fallen. Ihre Hüfte drückte auf meinen Schenkel, als sie mir ein paar Strähnen aus dem Gesicht strich und hinter die Ohren schob.
» Ich mag dich, Amelia « , sagte sie. » Aber ich möchte, dass das, was wir haben, nur mit dir und mir zu tun hat, und es nicht darum geht, allen in der Schule oder bei den Maggies etwas zu beweisen. Das geht niemanden außer uns beiden etwas an. «
Sie hatte meine Frage nicht beantwortet, das war mir klar. Doch was sie sagte, fand ich romantisch. So in der Art, wir gegen den Rest der Welt. Ich war eine blöde Kuh, das Schöne, das wir hatten, so in Frage zu stellen. Warum war es mir so wichtig, dass die Leute über uns Bescheid wussten? Weil ich ein Freak war, darum. Ich konnte die Dinge nicht einfach auf sich beruhen lassen. So wird man, wenn man zu viel allein ist. So wie ich. Dann wird man komisch und fängt an zu
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