Die letzte Wahrheit: Roman (German Edition)
zitterte ihre Unterlippe. » Du liest meine SMS überhaupt nicht mehr, oder? Ich glaub, Ian hat eine andere. «
» Ah, ja. Hatte ich ganz vergessen « , sagte ich. Ich wollte nicht über Ian reden. Seit er mir gegenüber mehr oder weniger zugegeben hatte, dass er fremdging, versuchte ich möglichst, das Thema zu meiden. Wenn sie sich nicht bald trennten, würde ich Sylvia reinen Wein einschenken müssen. Und dazu hatte ich überhaupt keine Lust. » Wenn das stimmt, ist er ein Vollidiot. «
» Siehst du, selbst du hältst mich nicht mehr für verrückt. Du glaubst auch, dass mit ihm was nicht stimmt. « Traurig schaute sie sich in der Bibliothek um, wahrscheinlich auf der Suche nach Ian. » Jungs sind einfach scheiße. «
Ich musste unbedingt das Thema wechseln, ehe Sylvia sich zu sehr in ihr Problem hineinsteigerte. Ich wollte ihr so gern von Dylan erzählen, vor allem, wo Ian es jetzt wusste. Es hatte keinen Zweck, auf den richtigen Moment zu warten, der kam sowieso nie.
» Ich bin mit jemand zusammen « , sagte ich, während Sylvias Blick immer noch durch die Bibliothek wanderte. » Ich glaub’s zumindest. Jedenfalls hattest du recht, als du es mir neulich auf den Kopf zugesagt hast. «
» Verdammt, ich hab’s doch gewusst! « Sylvia gab mir einen Klaps. » Seit wann? Mit wem? Du musst mir alles erzählen. Gott, ist das aufregend! «
Manchmal überraschte sie mich immer noch. Ich hätte nicht damit gerechnet, dass ich sie von Ian würde ablenken können, nicht eine Sekunde.
» Seit ungefähr drei Wochen. «
» Drei Wochen! « , kreischte Sylvia. Die Bibliothekarin ermahnte uns nachdrücklich. Sylvia winkte ungehalten ab. » Ich dachte, du würdest jetzt sagen, seit ein oder zwei Tagen. Drei Wochen, und du hast mir keinen Pieps davon erzählt? Moment– bitte, bitte, sag mir, dass es nicht dieser abartige Ben ist. «
» Nein, es ist nicht Ben « , sagte ich. » Und er ist nicht abartig. «
» Nicht schwul und abartig « , sagte Sylvia. » Aber von mir aus, wir müssen ja nicht immer einer Meinung sein. Außerdem hab ich keine Lust, über Ben zu reden. Ich will über den heißen Typen reden, der Amelia Baron endlich flachgelegt hat. Wer ist es? Carter? Oder George McDonnell? Die träumen schon seit Jahren davon, dir an die Wäsche zu gehen, ich schwör’s dir. «
Ich holte tief Luft und schaute Sylvia an. Jetzt oder nie. Ich würde meiner besten Freundin erzählen, dass ich mit einem Mädchen zusammen war.
» Ich hätte es dir schon längst erzählen sollen « , sagte ich. Es würde gut gehen. Sylvia würde es akzeptieren. Da war ich mir ganz sicher. » Nicht, dass es zwischen uns eine Rolle spielt, aber… «
» Ich werd verrückt « , zischte Sylvia und zog den Kopf ein. Sie beugte sich kurz vor, um hinter mir etwas zu erspähen, dann zog sie den Kopf wieder ein. » Ist das Ian da drüben? Mit einem Mädchen? «
» Wovon redest du? « , fragte ich und drehte mich um. Am anderen Ende der Bibliothek stand Ian in der Nähe des Lesesaals und des großen hölzernen Globus. Er hatte ein Mädchen bei sich, aber sie bückte sich nach irgendetwas, ehe ich ausmachen konnte, wer sie war.
» Ist das nicht Susan Dolan? « , flüsterte Sylvia. » Gott, die ist so eine Schlampe. «
Ich hatte sie nur ganz kurz gesehen, aber es konnte sein, dass es Susan Dolan war. Und wenn Ian sich ganz öffentlich mit ihr sehen ließ, war das kein gutes Zeichen. Susan ging mit fast jedem ins Bett. Egoistisch, wie ich war, war ich erleichtert, dass es nicht Zadie war. Susan Dolan gehörte nicht zu den Maggies. Das Geheimnis, das ich mit Ian teilte, hatte nichts mit ihr zu tun.
» Ich bin lesbisch, Sylvia « , sagte ich.
Weil es stimmte, und weil es Zeit war, reinen Tisch zu machen. Und plötzlich hatte ich das Gefühl, dass es unbedingt jetzt sein musste.
Sylvia versuchte immer noch, um mich herumzuspähen. Es war, als hätte sie gar nicht gehört, was ich gesagt hatte. Dann plötzlich starrte sie mich an.
» Moment– was hast du grade gesagt? «
» Ich glaube, ich bin vielleicht lesbisch. «
» Quatsch, bist du nicht « , sagte Sylvia mit einer wegwerfenden Handbewegung und spähte wieder an mir vorbei. » Lesbisch ist man nicht vielleicht. «
Ich hatte mir vorgestellt, dass Sylvia verwundert reagieren würde oder traurig oder vielleicht sogar ein bisschen entgeistert. Aber ich hätte nie damit gerechnet, dass sie mir nicht glauben würde.
» Ich meine nicht vielleicht « , sagte ich. » Ich weiß es. Ich weiß, dass
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