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Die letzte Walstatt - Covenant 03

Die letzte Walstatt - Covenant 03

Titel: Die letzte Walstatt - Covenant 03 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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kriechen. Unser Erbe heißt Furcht, denn der Erschaffer könnte uns mit einem Wort austilgen, die wir hier im Schatten seiner Wohnstatt leben. Aber um unserer einzigen Hoffnung willen sind wir wachsam. Denn es heißt, einige Unerschaffene seien noch frei vom Zugriff des Erschaffers – erzeugten noch immer Junge aus ihren eigenen Leibern. Es heißt, daß zur rechten Zeit ein Nachkomme geboren werden soll, der ohne Makel ist – ein Sprößling von vollkommener Reinheit, der dem Erschaffer und seinem Schaffen Trotz bieten kann ... der ohne Furcht ist. Es heißt, dieser Reine werde mit Zeichen der Macht zum Hort des Erschaffers gezogen kommen. Es heißt, er werde die Jheherrin erlösen ... falls er sie für würdig befindet ... daß er dem Erschaffer ihre Befreiung von Furcht und Schlamm abtrotzen wird, wenn ... wenn ...« Das Kriechwesen vermochte nicht weiterzusprechen. Seine Stimme sank herab und ging in dumpfes Schweigen über, und die ganze Höhle lechzte nach einer Antwort, um den Abgrund des Jammers damit zu füllen. Aber Covenant konnte sich nicht auf diese Ebene hinabbeugen, ohne zu zerbrechen. Er spürte die gesamte Aufmerksamkeit der Jheherrin auf sich gerichtet. Er fühlte, wie sie ihn stumm ›Bist du der Reine?‹ fragten, ihn zu erforschen versuchten. ›Wenn wir dir helfen, wirst du uns dann erlösen?‹ Doch er konnte ihnen nicht die Antwort geben, die sie sich wünschten. Ihr lebender Tod verlangte von ihm Wahrheit, keine falschen Hoffnungen.
    Mit vollem Bewußtsein verzichtete er auf ihren Beistand. Seine Stimme war rauh; als er sprach, klang sie nach Verdrossenheit. »Seht mich an! Ihr kennt die Antwort. Unter all diesem Dreck bin ich krank ... leidend. Und ich habe viel verschuldet ... ich bin nicht rein. Ich bin verderbt.«
    Ein letzter Pulsschlag von Schweigen folgte seiner Absage – ein letzter Moment der Stille, während die sehnsüchtige, zittrige, hoffnungsvolle Erwartung ringsum zerstob. Dann gellte ein Aufkreischen der Verzweiflung durch die vielfältigen Reihen der Jheherrin . Sofort erlosch jegliches Licht. Die Kreaturen schwappten in Bewegung, heulten in der Finsternis wie trostlose Gespenster. Schaumfolger packte Covenant, um ihn gegen einen Angriff zu schützen. Aber die Kreaturen griffen nicht an. Die Jheherrin flohen. Das Geräusch ihrer Regungen durchrauschte die Höhle wie ein lauter Wind der Verlorenheit und verlief sich innerhalb kurzer Zeit. Bald herrschte wieder Stille, fiel matt vor Covenants und Schaumfolgers Füße wie leere Totenhemden, Reste eines geschändeten Grabes.
    Covenants Brust bebte von trockenen Zuckungen, als wollten Schluchzer hervorbrechen, aber er paßte sich mit einer krampfhaften Anstrengung dem Schweigen an. Er durfte sich nicht beugen; er würde zerbrechen, unterwarf er die innere Anspannung seiner Entschlossenheit einer solchen Belastung. Foul! zeterte er insgeheim. Foul! Du bist allzu grausam.
    Er fühlte die Hand des Riesen in einer Geste der Ermutigung auf seiner Schulter. Er hätte gern irgendwie reagiert, vor allem auf irgendeine Weise die unerbittliche Zwangsläufigkeit seiner Entschlossenheit erklärt. Aber ehe er sprechen konnte, schien das Schweigen zusammenzufließen und sich im Klang leisen Weinens zu konzentrieren.
    Es schwoll an, während er lauschte. Einsam und jämmerlich erhob es sich aus der Dunkelheit wie unstillbare Trauer, brachte die Hohlheit der Luft zum Pochen. Er verspürte den Wunsch, zu demjenigen zu gehen, der da weinte, ihn irgendwie zu trösten. Doch kaum regte er sich, fand derjenige die Kraft, um ihn mit einem von Trostlosigkeit geprägten Vorwurf zurückzuhalten. »Verzweiflung ist Erschaffer-Werk.«
    »Verzeihung«, stöhnte Covenant. »Wie hätte ich euch belügen können?« Er suchte nach einer vernünftigen Antwort, hatte eine Eingebung. »Aber die Sage ist deswegen unverändert. Ich habe damit nichts zu tun. Ich bestreite eure Würdigkeit nicht. Ihr seid würdig. Ich bin ... ich bin bloß nicht der Reine. Er ist halt noch nicht gekommen. Ich stehe mit eurer Hoffnung in keinem Zusammenhang.«
    Er erhielt keine Antwort. Schluchzen verbreitete Schmerz in der Luft. Einmal enthemmt, konnte der alte, ungelinderte Jammer sich nicht wieder mäßigen. Doch einen Moment später entstand ein Glimmen von Steinlicht. Covenant sah vor sich das Kriechwesen, das für die Jheherrin den Sprecher gemacht hatte.
    »Kommt«, sagte es weinerlich. »Kommt!« Es schlotterte vor Gram, als es sich abwandte und zum Ausgang der Höhle kroch.

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