Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die letzten Dinge - Roman

Die letzten Dinge - Roman

Titel: Die letzten Dinge - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
Vom Netzwerk:
hierhin, mal dahin geschubst wurde: diese Leute waren vollständig glatt rasiert, ihre Körper geölt und um beinahe jeden Oberarm wand sich ein tätowiertes Band, geschnörkelt und in Mäandern, manche hatten auch einen Stacheldraht am Arm.
    Zu denen gehörst du doch, oder?, schrie Lotta in sein Ohr. – Aber du musst doch dann auch so einen Armreif haben. Und er muss am Oberarm sein.
    Wichtig ist, dass das Band genau zwischen Schultermuskelende und Bizeps sitzt!, schrie Ivy zurück. – Aber ich hab keins, weiß auch nicht. Lass uns tanzen gehen!
    Nee, nee Ivy, bitte! Ich will hier nicht gesehen werden, schon gar nicht mich produzieren, ich bitte dich!
    Da sind genug Frauen, sieh dich doch mal um – und die tanzen auch! Jetzt auf, hier kennt dich doch keiner! Du ziehst am besten den Pullover aus!
    Ivy fasste nach ihrem Pullover und schob ihn hoch und hervor kam ein altes, rosa Unterhemd, das sich seit etwa elf Jahren in ihrem Besitz befand und noch Mädchenzüge zeigte.
    Spinnst du?? Ich ziehe mich aus auf einer Schwulenparty?? Finger weg! Sie schlug ihm auf die Hände.
    Aber mit dem Unterhemd siehst du klasse aus! Ein wenig Gel in die Haare, ein wenig strubbelig machen, dann gebe ich dir hier meinen Gürtel und du siehst toll aus!
    Wenig später stakste Lotta unsicher im rosaroten Mädchenunterhemd und mit toupierten, wilden Haaren hinter Ivy her auf die Tanzfläche. Mein Gott, wohin die Nacht sie verschlug, Ivy hatte Recht gehabt, du weißt nicht, wohin sie dich treibt. Egal, wenn sie sich blamierte – hier kannte sie kein Mensch und mit dieser Frisur würde sie auch niemand wiedererkennen am nächsten Tag. Und außerdem war es aufregend hier.
    Dritte Plattform. Alcatraz konnte das sein, Alcatraz, dann Shapeshifters. Lotta mittendrin, sie tanzte und tanzte und konnte die Musik nicht genau erkennen, DJ Clarissa legte zwei Titel übereinander, spielte sie abwechselnd am Equalizer, nahm alle Höhen heraus, bis die Musik dumpf klang, wie unter einem Kopfkissen, wie hinter einer Schallschutzwand. Dann, mit steigendem Tempo zog sie die Höhen wieder hinein und eine Sequenz der Shapeshifters tauchte wieder auf, das war das Können der DJ, sie ließ die Sequenzen sich wiederholen, immer schneller, bis sie sich unter den ekstatischen Rufen der Massen bei 150 Beats per Second entluden.
    Ivy stampfte sich die Wut aus dem Bauch, schleuderte sie aus dem Körper, tobte sie aus auf einer Fläche von neunzig Zentimetern Radius, die Wut war so groß gewesen, dass er Stunden um Stunden tanzen musste, um sich zu läutern und zu reinigen, um endlich Frieden zu finden.
    Lotta hingegen tanzte zunächst vorsichtig, um nicht aufzufallen, war dann gepackt vom allgegenwärtigen Sound und auch die vielen, halbnackten Männerbrüste und die shakenden Hüften um sie her wirkten mit einem Mal so sehr auf sie, dass ihre eigenen Hüften zu vibrieren begannen und in so ausufernde Schwingungen gerieten, wie sie es vorher noch nie erlebt hatte. Nur einmal, in einem Kundalinikursus. Von der Hüfte aus verselbständigte sich Lottas ganzer Körper, sie verfiel in einen afrikanischen Trancezustand und gab sich endlich auf und war ganz schwingender, singender Körper, umgeben von prachtvollen Burschen, deren Haut ganz nah an der ihren war, Lotta war euphorisch und in eine Art Disco-Nirwana aufgestiegen, in dem sie sich wild, verrucht, entfesselt und befreit fühlte.
    Es ist einfach super hier!, schrie sie Ivy zu.
    Was meinst du?
    Weil Ivy sie nicht verstand, legte er seinen Arm um ihre Taille, zog sie zu sich heran und legte ihren rechten Arm auf seine linke Schultern. Sie waren so erhitzt, und die Nacht so dunkel, dass Ivy sich in gefährlicher Verwechslung von Mann und Frau befand und Lotta ihm ebenso angenehm vorkam wie jeder andere auf dieser Tanzfläche. Sofort fielen sie in den gleichen Takt und begannen, die Hüften gemeinsam zu schwingen.
    Du wolltest mir noch erzählen, was du mit dem Kurtacker machen willst! schrie Lotta in sein Ohr.
    Mit dem Kurtacker?
    Ivy schien große Mühe zu haben, die Frage zu verstehen.
    Ach, der Kurtacker! Ja! Dem besorgen wir mal eine Nutte!
    Waaas?
    Ja!
    Lotta blieb der Mund offen stehen und sie kam aus dem Takt. Aber da dachte sie, dass es furchtbar sei, jetzt aus dem Takt zu geraten, und sie wollte sich auf alle Fälle jetzt mit Ivy gut halten, denn die Nacht war so großartig und sie pulste und flammte und peischte sie hoch, das durfte nicht unterbrochen werden, so hielt Lotta die Klappe und tanzte und tanzte

Weitere Kostenlose Bücher