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Die letzten Dinge - Roman

Die letzten Dinge - Roman

Titel: Die letzten Dinge - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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aber versuche nicht, mich einzusperren oder so was. Das ist mit mir nicht, versuche also nicht, mich auf so ’ne Schiene zu ziehen. Das ist nicht. Außerdem habe ich im Augenblick tierische Schmerzen.
    … wo bist du denn?
    Ich bin da in so nem Dingen, kann ich dir jetzt den Weg nicht beschreiben, ist zu kompliziert, aber du, schlaf doch erst mal ne Runde, du hattest doch Spätschicht oder was, wir können die Woche mal was machen, wenn ich hier durchblicke und das alles geklärt ist. Mensch, ich hab vielleicht was ausgestanden.
    Verstehe, ja, verstehe.
    Ivys Herz schlug so laut, als wollte es ihm durch die Rippen brechen. Er bemühte sich, zu verstehen, bemühte sich, alle Worte so zu nehmen, dass sie bequem in seinem Inneren Platz hatten, aber so sehr er sich auch bemühte, sie sackten in sein Innerstes wie betrunkene Fledermäuse, sie fanden keinen Ort, wo sie hingehörten.
    Oh what a night.
    Ja, sagte Ivy. – Schlimm, schlimm.
    That’s life. Also denn. So long, Baby.
    Ach, sag doch nicht Baby … ich bin einen Kopf …
    Weißt schon …
    Ja ja …
    Motherfucker. Das sagte Ivy erst, als er aufgelegt hatte. Noch trug er seine weißen Klamotten, ein wenig betröpfelt von Griesbrei und Öl, ein wenig verschwitzt, ein wenig verstunken von den Zigaretten zwischendurch.
    Verpisst, sagte Ivy und dann: Verschissen. Er konnte nicht mehr aufhören damit, er musste die Wörter immer wieder sagen, verpisst und verschissen.
    Er brauchte jemanden. Der anders war als alle. Der ein liebes Wort für ihn hatte, irgendeines, jemand, der bei ihm war, wenn das Fieber ihn überfiel, wenn er laufen musste, laufen oder tanzen, oder trainieren, boxen, irgendwas, um die Unruhe loszuwerden, jemand musste bei ihm sein, sonst verlor er sich in Angst und Wut und Leere – Lotta. Er war mit Lotta verabredet. Hoffentlich kam sie bald. Er sah auf die Uhr.
    Streifschuss, haha. Lügengeschichten. Dass ich nicht lache. Und wenn es doch stimmte: dann hätte derjenige doch besser zielen sollen, der wusste schon, warum. Fredderik, Drecksack, elender Hund, Verräter, geiler Bock, Hurenbock, Drecksau … Fredderik, der bildschöne Mann mit dem silbernen Nabel. Er durfte nicht daran denken. Fredderik im Schottenrock und mit dem passenden roten …, Fredderik, Fredderik, Fredderik. Schnauze. Den Namen nicht mehr sagen. Schweigen. Schluss. Fredderik. Schnauze. Verdammt. Fredderik.

Die Nacht brachte Lotta   in ein stillgelegtes Elektrizitätswerk. Die Tore waren vernagelt, nur eines stand einen Spalt weit offen, hämmernder Sound drang aus den Ritzen, House und Transe, und tausend dunkle Gestalten standen an den Türen und keine davon war eine Frau.
    Aber Ivy! Was soll ich denn hier! Gleich kommt so ein Goliath und sieht mich und sagt: Du kommst hier net rein!
    Nee, nee, das machen die nicht, ich sage, du bist meine Schwester.
    Ich glaube, ich bin nicht gut genug angezogen, ich habe ja gar nichts anzuziehen, das irgendwie szenig oder hip ist.
    Du brauchst nicht gut auszusehen, du bist doch eine Frau!
    Sie gingen durch die Eingangstür, zahlten Eintritt bei zwei Lederschwulen und schritten durch die schlecht beleuchtete Lounge.
    Ivy drückte eine weitere große Tür auf und eine riesige Halle in schwarzrotem Dunkel öffnete sich vor ihnen. Der Himmel war so fern, dass er im Universum verschwand, weinrote Samtvorhänge fielen fünf Meter an den Wänden herunter, dazwischen Stahl, immer wieder Stahl. Emporen mit Stahlgeländern, Stahlträger und Kranbahnen liefen quer über die tanzende Menschenmenge hinweg und in der Mitte war eine schimmernde Discokugel aufgehängt. Lichtprojektionen tanzten über die Wände mit ineinanderlaufenden Formen, Lavalampen standen dort in Mannshöhe und von der Erde stieg Nebel auf, immer wieder neue Nebelschwaden. Lotta fasste suchend Ivys Hand und hatte Mühe, sich auf den Beinen zu halten in dem umwerfenden Sound von stampfenden Basslinien und antreibenden, peitschenden Beats.
    Heute ist DJ Clarissa da!
    Das schien ungemein wichtig, aber Lotta sah nur von Ferne einen gewaltigen Afrolook und sie wollte auch nicht fragen, ob Mann oder Frau. Ein Pulk von Bärentypen stand um sie herum, sie hatten Vollbärte und eine behaarte Brust, die sie offensichtlich gerne zeigten, denn ihre weißen Rippenunterhemden waren tief nach unten gezogen, einige davon trugen Lederwesten ohne was drunter. Sie tranken Weizenbier und schrien sich was in die Ohren. Aber rechts von Lotta war ein ganz anderer Pulk, der von den wandernden Gästen mal

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