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Die letzten Gerechten: Roman (German Edition)

Die letzten Gerechten: Roman (German Edition)

Titel: Die letzten Gerechten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Hoffman
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Cale heiße, nun als Engel des Todes verehrt würde, auch deshalb, weil er seinen eigenen Geist eine Meile hoch in den Himmel steigen lassen könne.
    »Und dein Freund«, sagte Daisy später im Bett, während sie sich unruhig hin und her wälzte, um eine bessere Lage für ihren schmerzenden Rücken und die furchtbaren Hämorrhoiden zu finden und gleichzeitig versuchte, Kleist beim Begreifen der verwirrenden Neuigkeiten zu helfen, die sie gehört hatten.
    »Er ist nicht mein Freund.«
    »Und dein Freund ist nicht der Engel des Todes, der seinen Geist eine Meile hoch aufsteigen lassen kann?«
    »Na ja, der Engel des Todes ist er schon, denn wo immer Cale auftaucht, findet bald darauf eine Beerdigung statt. Der Junge hat nichts als Beerdigungen im Kopf.«
    »Aber Geister kann er nicht beschwören?«
    »Nein.«
    »Schade. Ein Freund, der Geister eine Meile hoch aufsteigen lassen kann, könnte doch ziemlich nützlich sein.«
    »Mag sein, aber er kann es eben nicht. Und wie gesagt, wo immer er auftaucht, bricht alsbald großes Wehklagen aus. Deshalb versuche ich, mich von ihm so fern wie nur möglich zu halten. Wenn ich dich nicht getroffen hätte, wäre ich längst auf der anderen Seite des Mondes, wenn ich wüsste, wie ich hinkomme.«
    »Oh«, seufzte sie, dann jammerte sie plötzlich: »Mein armer Hintern.«
    Und dann sagte sie überhaupt nichts mehr, bis die Schmerzen wieder abgeklungen waren. Schließlich gab sie ihm eine Dose mit Creme, die sie dem reisenden Apotheker abgekauft hatte. »Schmier mir mal ein wenig drauf.«
    »Was?«
    »Schmier mir die Creme drauf!«
    Er starrte sie an. »Mach es doch selber.«
    »Ich bin zu dick. Komm dort nicht mehr hin. Für dich ist es leichter.«
    »Warum fragst du nicht deine Schwester?«
    »Sei kein Ekel. Nun mach schon.«
    Er hatte bereits gelernt, dass es besser war, sich nicht mit ihr auf einen Streit einzulassen. Und es fehlte ihm auch nicht an medizinischem Grundwissen. Die Erlösermönche verstanden sich auf die Behandlung von Verletzungen, schon deshalb, weil alle möglichen Leute ständig versuchten, sie umzubringen. Hämorrhoiden zählten zwar nicht zu den Verletzungen, die im Manifesto Catholico, dem Medizinhandbuch des Erlöserordens, aufgeführt waren, doch zumindest war Kleist nicht unbekannt, dass man mit Wunden sanft umzugehen hatte. Trotzdem stieß das unglückliche Mädchen ein leises Stöhnen aus.
    »Tut mir leid.«
    »Ist schon gut.«
    Ein paar Sekunden später war er fertig, und die Schmerzen in ihrem Hintern flauten ab.
    »Danke.«
    »Gern geschehen.«
    »Lügner. Ich wette, vor einem Jahr hättest du dir nicht träumen lassen, dass du eines Tages so etwas tun müsstest.« Sie spürte jetzt nur noch einen dumpf pochenden Schmerz und seufzte voller Erleichterung auf. »Leg dich dicht zu mir.« Sie wartete, bis er sich an sie geschmiegt hatte. »Ich muss mal mit dir über etwas reden.«
    »Was?«
    »Versprichst du mir, nicht beleidigt zu sein?«
    »Warum erzählst du es mir nicht erst einmal?«
    »Du gehst auf zu viele Raubzüge. Es ist zu gefährlich.«
    »Glaub mir, ich kenne die Gefahren. Ich gehe keine unnötigen Risiken ein und gehe niemals näher als fünfhundert Schritte an eine gefährliche Sache heran.«
    »Ich glaube es dir ja– dass du auf der sicheren Seite bleibst. Aber inzwischen geht der Stamm auf doppelt so viele Raubzüge wie früher, und alles nur deinetwegen.«
    »Und?«
    »Die Molosser werden das nicht mehr lange hinnehmen. Sie haben Legionäre, die besser kämpfen können als wir.«
    »Jeder kann besser kämpfen als dein Stamm. Wer immer nur Felsen auf Leute fallen lässt, die gerade nicht nach oben schauen, zählt bestimmt nicht zu den großen Kriegern.«
    »Na bitte. Alle sind zu gierig geworden. Das kann nicht mehr lange gut gehen.«
    »Dein Vater wird einen Herzanfall erleiden, wenn ich mich weigere mitzugehen. Und im Stamm bin ich dann so beliebt wie Hämorrhoiden, wenn ich nicht mithelfe.«
    »Aber du verstehst doch, was ich meine?«
    »Ja.«
    »Ich rede mit meinem Vater. Ich wollte nur zuerst mit dir darüber reden.«
    »Und wenn ich es dir verbiete?«
    Sie schaute ihn an, eher erstaunt als verärgert. »Mach dich nicht lächerlich.«
    Von der so tragisch unglücklichen Sharon von Tunis erzählt man sich, dass sie dazu verdammt war, immer die Wahrheit zu sagen, die ihr aber niemand glaubte. Die Klephts standen zwar Frauen nicht feindlich gegenüber, die ihren eigenen Kopf hatten, aber sie waren auch nicht mehr begeistert als andere

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