Die letzten Gerechten: Roman (German Edition)
Dolchstoßlegende.« Die Schlacht der Acht Märtyrer sei ein Dolchstoß in den Rücken der Erlöserheeres gewesen, denn es sei so klar wie irgendwas, dass Van Owen ein antagonistischer Verräter sei und sich mit den Feinden verschworen habe, einen sicheren Sieg in eine Niederlage zu verwandeln.
Gegen Van Owen wurde in Abwesenheit verhandelt, um ihm keine Gelegenheit zu bieten, seine schmutzigen antagonistischen Lügen zu verbreiten. Nur drei Tage nach dem Todesurteil wurde er an einem Nachmittag zum Platz der Befreiung geschafft. Doch nicht einmal der Erlöserbischof von Verona, der Führer der Sodalität der Schwarzen Cordelias, die bei den Kämpfen so entsetzliche Verluste erlitten hatte, mochte Einspruch dagegen erheben, als man Van Owens Todesurteil um ein erstaunliches Privileg ergänzte: dass der General zuerst gehenkt werden dürfe, bevor er auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde. Der Bischof selbst hätte Van Owen zwar viel lieber mit einer stumpfen Schaufel die Eingeweide aus dem Leib gerissen, weil er für die fast völlige Vernichtung der Schwarzen Cordelias verantwortlich war, aber selbst er wollte sich dieser beispiellosen Ergänzung des Urteils nicht widersetzen. Schließlich konnte man nie wissen.
Die höchsten Erlösermönche, angeführt von einem verstimmt und trotzig wirkenden Cale, saßen auf einer Tribüne, von der aus sich ein ungehinderter Blick über den gesamten Platz der Befreiung und auf die beiden Galgen bot. Der Papst war nicht erschienen; auch Vague Henri fehlte. Eine stattliche Menge hatte sich versammelt, die in erwartungsvoller Stimmung brodelte und auf den Menschen wartete, dem man alles in die Schuhe schieben konnte.
Als er zwischen vier Wärtern erschien, ging ein erregtes Raunen durch die Menge. Manche brachen spontan in Applaus aus, vereinzelt waren ein paar unzüchtige Beleidigungen zu hören, und generell herrschte eine ungestüme Vorfreude, die, wie der Historiker Solerine später schrieb, »eher an eine Herde wilder Tiere denn an Menschen erinnerte«. Trotz der vielen Wärter drängte die Menge immer weiter nach vorn zu den Galgen, um besser sehen zu können. Wie es der Brauch vorsah, befahl der Aufseher, der Dominikaner Novella, Van Owen den Habit auszuziehen. Obwohl er noch eine Wolltunika trug, waren lautstarke Proteste vom hinteren Teil der Tribüne zu hören.
»Ist das wirklich nötig?«
Aber es war zu spät, um noch etwas daran zu ändern. Folgsam wie ein Kind, das bestraft werden musste, hatte Van Owen bereits seine Kutte ausgezogen. Da der General wusste, was auf ihn zukam, hatte er für diesen Zeitpunkt ein paar fromme Sätze geplant– wie gern er dieses heilige Gewand getragen habe und so weiter–, aber die Angst schnürte ihm die Kehle zu, und so kam ihm kein einziges Wort über die blassen Lippen. Dann wurde er auch schon von dem ebenfalls immer blasser werdenden Aufseher Novella zur Treppe geführt. Van Owen bat um einen Schluck Wasser. Der Aufseher war von der Aussicht, etwas so Furchtbares wie diese Hinrichtung durchführen zu müssen, so verwirrt– dabei hatte er der Idee, Van Owen hinzurichten, noch begeistert zugestimmt, als sie im Gerichtssaal zum ersten Mal geäußert wurde–, dass er sich so weit vergaß, ihm die eigene Gürtelflasche zu reichen. Van Owen wollte nur seine Kehle befeuchten, um seine kleine Rede halten zu können, aber der Henker, der an die brutale Wirklichkeit solcher Hinrichtungen besser gewöhnt war als der Aufseher Novella, merkte, was Van Owen vorhatte, und hatte nicht die Absicht, irgendwelche Heldentaten zuzulassen, die eine so schöne Hinrichtung vermasseln könnten.
»Gebt jeden Gedanken an irgendein Gerede auf, dass Euch keine Schuld treffe. Folgt dem Beispiel unseres Heiligen Erlösers am Galgen, und haltet den Mund.« Damit wurde Van Owen die Treppe zum Galgen hinaufgestoßen. Auf halbem Weg nach oben wollte der Henker, dem die Menge begeistert applaudierte, ein wenig den Narren spielen und verbeugte sich, wobei er aber fast von der Treppe stürzte. Dieses würdelose Verhalten wirkte auf Novella wie Salz in einer offenen Wunde. Wütend brüllte er den Henker an. Den wiederum verängstigte der Tadel dermaßen, dass ihn jede Großspurigkeit verließ. Van Owen konnte nun ungehindert seine letzten Worte vortragen.
»In Deine Hände, o Herr, lege ich meinen Geist und meine Hoffnung, dass ich mit dem heutigen Tage eine Kerze entzünden möge, die nie mehr…«
An dieser Stelle wurde seine sorgfältig vorbereitete
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