Die letzten Gerechten: Roman (German Edition)
Heer noch nie eine Schlacht geschlagen hatte.
»Die Lakonier bewegen sich schneller und leichter als alle Soldaten, die ich jemals gesehen oder über die ich jemals etwas gelesen habe. Von der Anhöhe konnte ich erkennen, dass sie erst zwei Minuten vor dem Angriff ihren rechten Flügel verstärkten– und dort brechen sie die Reihen der Gegner auf. Sie stellen die besten Männer auf den rechten Flügel. Dann werfen sie blitzschnell noch weitere Männer aus der Mitte zum rechten Flügel, der damit plötzlich doppelt so stark wird, obwohl er zuvor schon die stärkste Abteilung gewesen war.«
»Und das heißt?«, fragte Bosco.
»Wir müssen unseren linken Flügel verstärken.«
»So einfach ist das?«
»Nein, nicht so einfach.« Es war eine gute Frage, aber Cale hatte kein Problem damit. »Wirft man einfach ohne Übung noch mehr Männer auf den Flügel, wird aus ihm eine Menge Soldaten und nichts weiter– sie stoßen und rempeln sich gegenseitig und stolpern beim Vormarsch übereinander. Deshalb habe ich die Männer zwölf Stunden täglich üben lassen, damit sie lernen, sich in die Tiefe zu staffeln. Je länger die Lakonier mit ihrem Angriff warten, desto besser werden wir.«
»Und die Helme?«
»Wir haben nur genügend Helme für die ersten vier Reihen des linken Flügels und für die beiden ersten Reihen der restlichen Front.«
»Können wir nicht noch mehr Helme beschaffen?«
»Nein. Die meisten sind im Freien zu sehr verrostet. Die brauchbaren Helme haben wir tief aus der Mitte des Schrotthaufens holen müssen. Es war eine riesige Verschwendung, die Rüstungen dort verrosten zu lassen.«
Verlegenes Schweigen trat ein, das Cale genoss, nicht aber Bosco und Princeps, obwohl man ihnen die Verschwendung nicht vorwerfen konnte. »Wir haben ohnehin keine große Chance mehr, wenn es den Lakoniern gelingt, mit ihrem rechten Flügel unsere vier gestaffelten Reihen zu durchbrechen. Bei der Schlacht der Acht Märtyrer wurden wir deshalb so leicht besiegt, weil der verstorbene Van Owen, Gott sei seiner Seele gnädig, so freundlich war, einen Schlachtplan zu entwickeln, der zum Vorteil der Lakonier war.«
»Und das wirst du nicht tun?«, fragte Princeps.
»Nein. Wenn sie einen Angriff bei den Hügeln hier vermeiden, werden wir versuchen, sie hier zu stellen.« Cale tippte mit dem Finger auf die Karte.
»Sieht ebenso flach aus wie auf dem Feld der Acht Märtyrer«, bemerkte Princeps.
»Ist es aber nicht. Das fiel mir sofort auf, als ich zum ersten Mal dort entlangritt, und ich war seither ein paar Mal da. Die Anhöhe hier liegt mitten in der Ebene, ihre Abhänge sehen nicht sehr steil aus, aber das täuscht. Sie ist tatsächlich wie ein richtiger Hügel und teilt die Ebene in zwei Hälften. Man kann nicht mit einem in Linien geordneten Heer hier herunterrücken, wie das bei den Acht Märtyrern der Fall war– man muss sich für die eine oder die andere Seite entscheiden. Hier, an diesem Anstieg, baue ich eine Palisadenbefestigung für die Bogenschützen. Die Lakonier können es nicht bis zu der Stelle schaffen, an der die Heere zusammenstoßen, ohne schon auf dem Weg dorthin doppelt so viele tot oder verwundet zurückzulassen, wie das früher der Fall war. Und ich glaube, dass ich die Sache für sie sogar noch schlimmer machen kann. Hier drüben liegt der Abhang des Golan– zu steil und für die Bogenschützen zu weit entfernt. Das muss ich Euch direkt zeigen.«
Sie ritten eine halbe Stunde weit vom Lager weg. Das Tageslicht wurde bereits schwächer. Hooke hatte natürlich inzwischen seinen entsetzlichen Bart abrasiert, und auch sein Kopf war völlig kahl, aber Bosco erkannte ihn dennoch sofort.
»Das ist Meister Chesney Fancher«, sagte Cale.
»Meister Fancher«, grüßte Bosco ihn mit knappem Nicken; Princeps nickte nur schweigend.
Das Problem, einem Erlösermönch neue Ideen zu erklären– und was ist schon eine gute Waffe, wenn nicht eine gute Idee mit mörderischer Absicht?–, bestand darin, dass sie Ideen jeder Art grundsätzlich missbilligten. Ideen entstanden aus dem Denken, und Denken war eine Tätigkeit, für die Menschen extrem schlecht geeignet waren. Aber wie schon der Heilige Augustin von Hippo, der einem Philosophen näher kam als irgendein anderer Erlösermönch, einmal erklärt hatte: »Für das Denken ist der Verstand des Menschen schlecht entwickelt. Das Denken sollte daher, wie eine Amputation von Gliedmaßen, nur von jenen ausgeübt werden, die dafür am besten ausgebildet sind, und
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