Die letzten Gerechten: Roman (German Edition)
nachblättert.«
»Falls es dir noch nicht aufgefallen sein sollte, Bruder«– IdrisPukke redete ihn immer nur dann mit dieser Bezeichnung an, wenn er wirklich wütend auf ihn war–, »sind die Materazzi zu einer Sippe von Habenichtsen verkommen. Cale ist der Einzige, der die Erlöser aufhalten kann, bevor sie die Antagonisten, die Lakonier, die ganze Schweiz und alle anderen wie einen alten Teppich aufrollen. Und im Vorbeigehen auf König Zog pissen.«
»Conn Materazzi hat das Zeug zum Heerführer, wenn man ihm noch ein wenig Zeit lässt.«
»Cale plante unsere Vernichtung und die der Lakonier. Nicht schlecht für einen Gossenjungen. Wenn du glaubst, dass das auch in Conn Materazzi steckt, musst du ein so großer Narr sein, wie es sonst keinen gibt.«
»Wir haben nur sein Wort, dass er die Lakonier geschlagen hat.«
»Am Silbury Hill konnten wir mit eigenen Augen sehen, was Cales Pläne uns zufügten.«
»Wenn man davon absieht, dass es für manche Vorgänge auch andere Erklärungen gab, war das nicht nur den Plänen zu verdanken, sondern auch einer Menge Glück.«
»Wann wäre das jemals anders?«
»Man kann ihn nicht beherrschen.«
»Stimmt.«
»Er kann sich nicht mal selbst beherrschen.«
»Damit ist er nicht der Erste. Er ist jung, er wird darüber hinwegkommen.«
»Da irrst du dich aber gewaltig. Ich hörte, wie er ihr drohte, bevor er aus Memphis wegging und auch bei der Sache heute Abend. Er wird sich nie von ihr befreien können. Die Leute reden immer über Jugendliche, als seien sie so völlig anders als Erwachsene. Aber es gibt keinen Unterschied, jedenfalls keinen großen. Es geht um zwei Seelen, die verrückt nach Liebe sind. Er ist Liebender und Mörder zugleich, und bei ihm hängen beide zusammen wie Pech und Schwefel, untrennbar.«
»Dann muss eben Arbell aus Spanish Leeds verschwinden und Conn mit ihr. Aus den Augen, aus dem Sinn. Und wir setzen Cale für unsere Sache ein. Er soll einen Plan entwickeln, wie wir mit den Erlösern fertigwerden können.«
»Warum sollte er uns helfen?«
»Er hasst Arbell, weil er sie liebt und rettete und sie ihn trotzdem den Erlösern auslieferte.«
»Das taten wir alle doch auch.«
»Das darfst du nur auf dich selbst beziehen. Und er kroch auch nicht vor Liebe hinter dir her. Es liegt in seinem Interesse, mit uns eine Abmachung zu treffen, weil er sonst nirgendwo hingehen kann. Wenn Cale die Schweizer Armee anführt, haben wir wenigstens eine Chance, und er hat ebenfalls eine. Das wird er einsehen. Arbell oder keine Arbell, das Überleben war ihm immer wichtig.«
»Aber ist er nicht eine Gefahr für alle?«
»Nicht, wenn wir ihm helfen, sich auf eine Sache zu konzentrieren, bei der er am meisten Schaden anrichten kann.«
»Dein Plan ist nicht gerade berauschend.«
»Doch, vor allem dann, wenn du keinen besseren Plan hast.«
»Wusstest du, dass er mit Kitty dem Hasen gesprochen hat?«
»Ja.«
»Du Lügner!« Und wie schon als kleine Jungen war es nicht als Beleidigung gemeint und wurde von IdrisPukke auch nicht so aufgefasst.
»Erzählst du jedem, was du so treibst?«, fragte IdrisPukke.
»Ich bin für meine Offenheit berühmt.«
»Genau. Wenn er den Rest von uns vor den Erlösern retten soll, kann ich nur hoffen, dass er nicht nur einen, sondern möglichst viele Töpfe auf dem Feuer hat.«
»Wenn die Erlöser Arbell noch einmal bedrohen würden, das wäre hilfreich. Eine überzeugende Begründung für ihr Verschwinden.«
»Würde Conn mit ihr gehen?«
»Zu viel der Hoffnung. Außerdem würde Zog den Befehl über sein Heer niemals einem Gossenjungen übertragen, egal, was du denkst.«
»Dann ist er ein Narr.«
»Niemand hat jemals etwas anderes behauptet.«
»Kannst du Conn beeinflussen?«
»Ja«, antwortete Vipond.
»Genug, um ihn dazu zu bringen, als Strohmann für jemanden einzustehen, der möglicherweise der Vater seines Kindes ist?«
»Das muss ich ihm ja nicht unbedingt unter die Nase reiben. Außerdem sind wir im Vorteil.«
»Wieso?«
»Er will es gar nicht wahrhaben. In diesem völlig natürlichen Wunsch müssen wir ihn so gut wie möglich bestärken.«
Aber ihr Plan hatte eine unvorhersehbare Schwachstelle– was an und für sich keinen der Brüder sonderlich überrascht hätte.
Bose Ikard wollte den Materazzi so deutlich wie möglich zu verstehen geben, dass sie unwillkommen seien. Zu seinen Methoden gehörte auch, dafür zu sorgen, dass ihre Unterkünfte unzureichend waren. Im Hinblick auf Arbell bedeutete das, dass
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