Die letzten Gerechten: Roman (German Edition)
Welt schikanieren?«
»Bisher habe ich meine Sache ziemlich gut gemacht.«
»Bisher, das stimmt. Aber das reicht nicht sehr weit zurück, wenn man bedenkt, dass du noch sehr jung bist und dass noch eine ganze Menge Welt übrig ist.«
Eine Weile sagte keiner ein Wort.
»Ich will, dass sie leidet. Sie hat es verdient.« Cale sprach so leise und so unendlich traurig, dass IdrisPukke kaum wusste, was er sagen sollte.
»Ich weiß, wie schwer es ist, eine große Liebe aufzugeben.«
»Ich habe ihr das Leben gerettet.«
»Stimmt.«
»Habe ich etwas falsch gemacht?«
»Nein.«
»Warum dann das?«
»Niemand weiß darauf eine Antwort. Du kannst nicht einfach jemandem befehlen: Liebe diese Frau, liebe diesen Mann.«
»Aber sie hat es mir doch gesagt.«
»Was Liebende zueinander sagen ist, als würde es in Wind oder Wasser geschrieben. Das sagte mal irgendein Knallkopf, aber es stimmt trotzdem.«
»Sie hat mich an Bosco verraten. Es wäre nicht richtig, ihr das durchgehen zu lassen.«
IdrisPukke hätte an dieser Stelle, im Interesse einer ausgeglichenen und fairen Auseinandersetzung, darauf hinweisen können, dass sich Arbell damals gewissermaßen in einer ziemlich schwierigen Lage befunden hatte. Aber es war schon Jahre her, dass er töricht genug war, so etwas zu sagen.
»Leider leben wir in einer sehr interessanten Zeit. Du kannst großen Einfluss erlangen, vielleicht sogar allergrößten Einfluss– und so jung du auch bist und wie schmerzlich du dies auch empfinden magst, in Fragen, bei denen es um Liebe, Krieg, Politik geht, müssen kleine Dinge eben hinter die größeren Dinge zurücktreten.«
Cale warf ihm einen kurzen Blick zu.
»Nicht, wenn die kleinen Dinge zuerst kommen.«
Wieder trat langes Schweigen ein. Nicht einmal IdrisPukke fiel noch eine Antwort ein. Und so wechselte er einfach das Thema.
»Ich weiß nicht, was die Erlöser und ihr Papst mit dir anfangen werden. Ich würde aber nicht darauf wetten, dass ihnen nichts einfällt. Du schaffst dir so leicht Feinde, wie andere Leute atmen. Wenn du redest, zeigst du deine Wut, zeigst deinen Hass in allem, was du sagst und tust. Es ist ein unsinniges und völlig nutzloses Verhalten, es ist gefährlich, töricht, lächerlich, vulgär– obwohl ich allerdings glaube, dass Vulgarität das letzte deiner Probleme ist. Entweder lernst du, dich diskreter zu verhalten, oder du kannst gleich deine Sachen packen.«
Cale gab keine Antwort. IdrisPukke verspürte Mitleid mit dem seltsamen Jungen, der unglücklich neben ihm saß. Nach ein paar Minuten Schweigen begann sich IdrisPukke allerdings zu sorgen, dass Cale mit seinem Schweigen zu weit ging.
»Hast du zu den Sternen aufgesehen, als du draußen warst?«
Cale lachte, leise und auf eine sehr seltsame Art, wie IdrisPukke dachte– aber das war immer noch besser als das Schweigen.
»Nein«, sagte Cale, »leuchten denn die Sterne noch?«
»Du warst Zeremonienmeister bei vielen Katastrophen«, sagte Vipond später an diesem Abend zu IdrisPukke, »aber die heutige war doch sicherlich eine deiner Meisterleistungen.«
»Keineswegs. Ich war schon in viel schlimmere Dinge verwickelt als in einen Streit zwischen zwei Liebenden.«
»Du weißt, dass es hier um sehr viel mehr geht. Bose Ikard will uns loswerden, und du kannst absolut sicher sein, dass der Bericht über den Streit zwischen den Materazzi-Erben und deinem kleinen bösen Freund bereits auf dem Weg zum König der Schweiz ist, genau in diesem Augenblick, und dass die Sache in dem Bericht wunderbar ausgeschmückt wurde.«
»König Zog mag eine alte Vettel sein, aber wegen diesem Streit wird er uns nicht hinauswerfen– da kann Ikard im Dreck wühlen, so viel er will.«
»Doch, das wird Zog tun, wenn Ikard ihm klarmacht, dass die Vaterschaft von Arbells Kind durchaus strittig sein könnte.«
»Und was meinst du?«
»Was meinst d u ?«
»Möglich.«
»Dagegen gibt es nichts zu sagen. Der Knackpunkt ist, dass die Gerüchte darüber schon unter jeder Türritze in Spanish Leeds hindurchrieseln. König Zog hat eine sehr eingeschränkte Sichtweise in Bezug auf promiskes Verhalten, vor allem, wenn irgendein Gossenjunge einer Aristokratin einen Braten in die Röhre schiebt.«
»Er ist sehr viel mehr als ein Gossenjunge.«
»Nicht in den Augen von König Zog von der Schweiz. Einen größeren Snob muss Gott erst noch erfinden. Seine Lektüre besteht aus dem Almanach von Gotha, und er verbringt Stunden damit, dass er seufzend vor Vergnügen darin seine Ahnen
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