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Die letzten Gerechten: Roman (German Edition)

Die letzten Gerechten: Roman (German Edition)

Titel: Die letzten Gerechten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Hoffman
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ob du dich verändert hast. Ich fürchte, dass du tief im Innern möglicherweise immer noch der zornige kleine Junge geblieben bist.«
    »Ich dachte, genau das sollte ich doch sein?«
    »Gerechter Zorn ist etwas ganz anderes als Wut. Das hätte ich dir schon längst einmal klarmachen müssen. Vague Henri wird innerhalb einer Stunde zu dir gebracht.«
    »Ich gehe selbst ins Kloster hinüber.«
    »Nun gut.«
    »Ihr scheint mir sehr nachsichtig zu sein.«
    »Und das macht dir Sorgen?«
    »Sollte es wohl, oder nicht?«
    »Nur weil es mir Spaß macht, deine Erwartungen immer wieder ins Leere laufen zu lassen. Du scheinst noch nicht vollkommen begriffen zu haben, wie die Dinge stehen, wenn ich so sagen darf.«
    »Ich kann tun und lassen, was ich will, meint Ihr das?«
    »Du kennst meine Antwort darauf. Aber ich rate dir, genau zu überlegen, was dir erlaubt ist und was nicht.«
    »Ich bin doch nichts als ein wütender, kleiner Junge.«
    »Ich hoffe, dass das nicht stimmt, um deinet- und um meinetwillen. Man wird dir gleich die Schlüssel zum Klostergebäude bringen. Dort kannst du tun und lassen, was dir beliebt.« Als Bosco erneut die Hand auf die Türklinke legte, wandte er sich noch einmal um. Das war schon immer eine seiner Eigenarten gewesen– das, was ihm wirklich durch den Kopf ging, bis zur letzten Sekunde zurückzuhalten und es dann vorzutragen, als sei ihm der Gedanke eben erst gekommen.
    »Was weißt du über die Lakonier?«
    »Söldner. Teuer.« Er dachte einen Augenblick nach, als müsse er sich erst erinnern. Durch seine jahrelange Übung in ausdrucksloser Unverschämtheit war er gewitzt genug, nicht zu grinsen, als sich jetzt die Gelegenheit bot, sich über seinen früheren Meister lustig zu machen. »Chrononhotonthologos«, fügte er nachdenklich hinzu.
    Bosco merkte, dass er herausgefordert wurde, weigerte sich aber, den Köder zu schlucken. »Das ist mir kein Begriff«, sagte er.
    »Das Wort bezeichnet einen Dampfplauderer, in diesem Fall vielleicht einen Säbelrassler.«
    »Nun gut. Sonst noch was?«
    »Nein.«
    »Einem Gerücht zufolge sind die Antagonisten in der Nähe von Argentum auf eine ergiebige Silberader gestoßen. Inzwischen ist es kein Gerücht mehr. Nicht ganz so sicher, aber doch wahrscheinlich ist, dass sie den Fund benutzen werden, um eine große Lakonier-Armee bezahlen zu können, die sie gegen uns einsetzen werden.«
    »Ich dachte, sie setzten nie mehr als dreihundert Söldner ein?«
    »Und ich dachte, du wüsstest nichts Genaues über sie?« Cale antwortete mit unverschämtem Schweigen. »Ich werde dir einen Bericht über sie schicken. Da dein Leben davon abhängen wird, brauche ich dich wohl nicht eigens aufzufordern, ihn genau zu lesen.« Nun hatte Bosco genug von Cale und verließ grußlos den Raum.
    Cale überlegte, wie er sich fühlte. Besorgnis und Freude, beides im gleichen Maß. Freude darüber, dass er Henri wiedersehen würde, Besorgnis darüber, wie tief diese Freude in ihm wurzelte. Seine Wut auf Arbell Materazzi hatte die furchtbare Einsamkeit hinweggeschwemmt, die durch ihre Abwesenheit verursacht worden war. Aber sie hatte auch das Gefühl des Verlusts seines Freundes verdeckt. Bis zu diesem Augenblick hatte er geglaubt, Vague Henri zu nehmen oder fallenzulassen, wie es ihm beliebte; jedenfalls hatte er sich daran gewöhnt, ihn bei sich zu haben. Und nun entdeckte er besorgt, wie sehr er ihm gefehlt hatte. Seine Aufregung über Henris Rückkehr war fast unerträglich. Seine Seele war ein Irrgarten mit vielen großen Dämmen, verbunden durch breite Kanäle mit massiven Schleusen. Aber was immer man baute, das Wasser würde an der einen oder anderen Stelle durchsickern.
    Und was war wohl aus Kleist geworden? Wahrscheinlich tot, dachte Cale.

ELFTES KAPITEL
     

    A
ber Kleist war ungefähr so weit vom Tod entfernt, wie einMensch überhaupt sein konnte.
    »Meinst du nicht auch«, fragte eine nackte Daisy, die auf Kleist saß, sich leicht zurücklehnte und sich auf seinen Knien abstützte, »dass Sex mit mir besser ist als der Himmel?«
    Kleist betrachtete ihre Brüste sorgfältig. Warum, fragte er sich, waren sie so wunderbar? Er wusste, dass man einer Sache recht bald überdrüssig werden konnte, wenn man sie nur oft genug erhielt oder genoss: Zitronencreme, Schach, Koolhaus necken, Nichtstun, zu viel Sonne oder Wein. Aber eine nackte Frau? Das war etwas, dessen er wohl nie überdrüssig werden würde. Sein Staunen über den weiblichen Körper hatte sich auf jeden Fall

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