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Die letzten Gerechten: Roman (German Edition)

Die letzten Gerechten: Roman (German Edition)

Titel: Die letzten Gerechten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Hoffman
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nachdenken?«
    »Ich kann es nicht glauben!«
    »Warum sollte ich dich belügen?«
    Sie schaute ihn an, ernst, verwirrt und besorgt. »Nein, nein, ich glaube nicht, dass du mir etwas vorlügst. Ich kann es nur nicht fassen, dass du absolut keine Ahnung hattest, wie…«
    »Gut, aber so ist es eben– ich habe keine Ahnung.«
    Sie schauten einander an, Kleist war weiß vor Entsetzen, Daisy blass vor Verwirrung. Ein kurzes Schweigen trat ein.
    »Also, sag mir, warum du ein Kind bekommst«, forderte er sie schließlich auf.
    »Deinetwegen.«
    »Meinetwegen? Ich weiß doch gar nichts über Kinder.«
    »Du hast mir ein Kind gemacht.«
    »Ich? Wie denn? Womit?«
    Allmählich wurde ihr klar, wie abgrundtief sein Unwissen war. Sie setzte sich neben ihn, verwirrt und verloren.
    »Wenn du deinen Penis in mich steckst und du dann diese Zuckungen bekommst. So macht man Kinder.«
    »Großer Gott! Warum hast du mir das nicht gesagt?«
    »Ich wusste doch gar nicht, dass du das nicht weißt.«
    »Ich weiß überhaupt nichts!«
    Das war keine unbegründete Behauptung. Bevor er nach Memphis gekommen war, hatte er über nichts Bescheid gewusst außer einer Religion, die er hasste und fürchtete, und Töten, worin er recht gut war, das er aber ebenfalls fürchtete, weil er Angst hatte, eines Tages selbst getötet zu werden. In Memphis hatte sich das Wissen in jeder denkbaren Form und über alles Mögliche über ihn ergossen. Wie ein großer Schwamm des Unwissens, der er nun einmal war, hatte er enorme Mengen von diesem Zeug in sich aufgesaugt. Leider lag die Aufgabe noch vor ihm, das alles in eine gewisse Ordnung zu bringen und die Verbindungen zwischen den Bruchstücken herzustellen, eine Aufgabe, die sogar ein ausnehmend dummer Fünfzehn- oder Sechzehnjähriger längst mit Bravour bewältigt haben würde. In mancherlei Hinsicht war er selbst nicht viel mehr als ein Baby.
    »Und was machen wir jetzt?«, fragte er hoffnungslos.
    »Du hast es schon gemacht«, antwortete sie, was ziemlich unfair war, aber sie war nun einmal gereizt.
    »Du hast das alles von Anfang an gewusst. Also bist du schuld.«
    »Ich?«
    »Ja. Dein Vater wird mich umbringen.«
    »Nein, wird er nicht.«
    »Oh, da bin ich aber erleichtert. Bist du sicher?«
    »Nur wenn du mich nicht heiratest.«
    »Dich heiraten?«
    »Jetzt tu bloß nicht so, als hättest du noch nie von der Ehe gehört.«
    »Aber das ist doch lächerlich.«
    »Auch nicht lächerlicher, als nicht zu wissen, wie man Kinder macht.«
    Das war zu viel.
    »Sicher, man sieht immer wieder, wie Leute heiraten. Sie reden auch darüber. Aber niemand hat jemals über Babys geredet und darüber, wie man sie macht.«
    »Na gut«, sagte sie unglücklich, »jetzt weißt du es.«
    Daisys Vater war nicht so erfreut, wie sie erhofft hatte, aber auch nicht so mörderisch wütend, wie Kleist befürchtet hatte. Im Grunde mochte er Kleist ganz gern, aus zwei Gründen– weil er seiner Tochter das Leben gerettet hatte, was stimmte, und ihre Ehre, was nun definitiv nicht stimmte. Aber das war weit weg geschehen, und die Ereignisse kannte er nur insoweit, als er auf den Wahrheitsgehalt von Daisys Schilderungen über ihre Rettung vertraute. Aber es gab noch ein weiteres Problem: Auch wenn die Klephts ihrer Schilderung glaubten, über welchen Mut und welche Kriegskünste Kleist verfügte, so legten sie doch auf diese Eigenschaften nur geringen Wert. Die Folge war, dass sie Kleist zwar allgemein als einen Fremden akzeptierten, er aber ansonsten bei ihnen kein besonders großes Ansehen genoss. Daisy war die Tochter eines Mannes von beträchtlichem Reichtum und Einfluss, was auf seinem Talent für Diebstahl beruhte, welches selbst von einem Volk bewundert wurde, dessen Name buchstäblich zum Synonym für Diebstahl geworden war. Nachdem Kleist die Sache mit der Schwangerschaft enthüllt worden war, bot er auf Daisys Drängen dem Stamm an, sich an ihren Raubzügen zu beteiligen, doch das verschärfte das Problem nur. Denn er trug es so leichtherzig und mit einem klaren Vorurteil vor, dass Raub in der von den Klephts praktizierten Größenordnung kein Kunststück sei, dass er den Stamm nur beleidigte, vor allem jene Klephts, die mit seiner Lage sympathisiert hatten, bis er ihnen mit diesem tollpatschigen Vorschlag kam. Dies wiederum unterminierte seine Chancen, als er den Antrag stellte, Daisy heiraten zu dürfen, woraufhin wiederum sie ihn beschuldigte, die ganze Sache absichtlich getan zu haben. Damit hatte er es geschafft,

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